Seite:Die Gemälde-Galerie des Grafen A. F. v. Schack.pdf/50

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Tschibuk rauchen und dabei so sorglos unbekümmert sind, dass man glaubt, sie würden sich in ihrem Genusse nicht stören lassen, wenn auch die ganze Welt um sie her unterginge, lässt sich nicht trefflicher schildern, als es hier geschehen ist. Ich gestehe, dass mir verschiedene Gemälde besonders deshalb lieb sind, weil sie mich an etwas Selbsterlebtes erinnern. Wie oft habe ich nicht in dem mohammedanischen Quartier von Algier, in Konstantinopel, Kairo, Aleppo solche Gruppen von Rauchern gesehen! So mag dies Bildchen höheren Wert für mich als für Andere haben; jedenfalls aber ist bewundernswert, dass Spitzweg, der nie im Morgenlande war, sich mit der Phantasie dahin so lebhaft hat versetzen können. Vielleicht hat er in Triest, wohin viele Türken kommen, die nötigen Studien gemacht. – Wie tiefes Naturgefühl dieser Künstler besitzt, beweisen zwei andere seiner Gemälde. Das eine zeigt die Waldklause eines Eremiten, welcher die Geige spielt, während ein Reh, den Tönen lauschend, neugierig aus dem grünen Dickicht des Waldes hervorschleicht; auf dem anderen erblicken wir eine Gruppe von Sennerinnen, die sich auf einer Alm mit Zitherspielen ergötzen. Hier ist die Gebirgsnatur ebenso vortrefflich wiedergegeben, wie Tracht und Sitte der Bewohnerinnen des bayerischen Hochlandes, und es ist dem Maler in wunderbarer Weise gelungen, uns diese Alpenwelt so zu vergegenwärtigen, dass wir die frische Luft der Höhe einzuatmen glauben.





IX.


Ich werde nun auf das Gebiet der Landschaft übergeführt. Es ist dies ein in unserer Zeit mit besonderer Vorliebe angebautes Feld; und wenn die heutige Malerei überhaupt mit derjenigen des 16. und 17. Jahrhunderts konkurriren kann, so ist es auf diesem Gebiete, auf dem die Gegenwart höchst ausgezeichnete Leistungen aufzuweisen hat. Dennoch war ich von jeher der Meinung, die Landschaft, ebenso wie das Genre- und das Architekturbild dürfe bei Bildung einer Gemäldesammlung nur in zweiter Reihe berücksichtigt werden. Alle diese Gattungen sind erst entstanden und ausgebildet worden, als die grosse Kunst in Verfall zu geraten begann; und wie auch das Beste, das in ihnen hervorgebracht worden, doch nur einen untergeordneten Rang behaupten kann, wird klar, wenn man selbst einen ausgezeichneten Claude Lorrain oder Ruysdael, den vorzüglichsten Teniers oder Jan Steen einem Rafael oder Tizian gegenüberstellt. Sogar, wenn künftige Landschafts- oder Genremaler die Vorhingenannten noch überträfen, ihre Arbeiten würden doch, neben einer sixtinischen Madonna, einer Grablegung im Louvre, nur auf einer sekundären Stufe der Kunst stehen. Indem ich dieses einräume, will ich doch sogleich hinzufügen, dass ich gute Landschaftsbilder ausserordentlich schätze und hierin mit den meisten meiner Zeitgenossen übereinstimme. Es hängt das mit der Liebe zur Natur zusammen, welche in neuerer Zeit so viel mächtiger geworden als in irgend einer früheren. Besonders ist dieses bei den nordischen Nationen der Fall, wohl deshalb weil sie wenig im Freien leben und die Entbehrung des Naturgenusses während eines grossen Teils des Jahres die Neigung zu demselben steigert. Daher haben auch die Niederlande, Deutschland und Frankreich am meisten auf genanntem Gebiete produzirt. – Als ich nun damit umging, meine Sammlung auch durch Werke dieses Fachs zu bereichern, ward ich durch die Fülle trefflicher Leistungen, die ich vorfand, förmlich in Verlegenheit gesetzt. Von vornherein erkannte ich, ich müsse darauf verzichten, auch nur die bedeutendsten Künstler sämtlich bei mir vertreten zu sehen. – Zuerst war mein Augenmerk auf die ideale, stilisirte oder sogenannte historische Landschaft gerichtet, und das Glück führte mir sogleich einige Gemälde zu, welche jene in ausgezeichnetster Weise repräsentirten. Fast gleichzeitig mit Genelli lernte ich dessen intimen Freund und begeisterten Verehrer Friedrich Preller kennen. Derselbe hatte schon einen grossen Teil seines Lebens hinter sich, als er durch die Kartons zu seinem Odyssee-Cyklus zuerst in weiteren Kreisen Aufmerksamkeit erregte. Noch waren nur einzelne derselben, und im verkleinerten Massstabe, in Farben von ihm ausgeführt worden; denn den Auftrag, dies für den ganzen Cyklus zu leisten, erhielt er erst später von seinem Landesherrn. Ich betrachtete es daher als einen doppelt schätzbaren Vorzug, dass ich der Erste war, für den er die Leukothea und den Abschied des Odysseus von Calypso – nach meinem Urteil die Perlen der ganzen Reihe – vollendete. Die beiden Kompositionen sind inzwischen so allgemein bekannt geworden, dass ich darüber nur sagen will, sie zeigen die volle Kraft des Meisters in der Darstellung des Meeres und der Landschaft sowohl, wie des Figürlichen; ich weiss nicht, was ich mehr bewundern soll, die mit dem ganzen Zauber südlicher Natur ausgestattete Ufergegend des einen Bildes, oder die vom wildesten Sturmwind aufgewühlte Flut des anderen, wo die Nymphe aus der Spitze einer Welle gleich dem aufspritzenden Schaum derselben emporschiesst. – Ein jüngerer Künstler, Franz Dreber, nun ebenso wie Preller schon dahingegangen, war mit grossem Talente auf demselben Gebiete thätig. Während vieler Jahre in Rom lebend und völlig unbekümmert um den äusseren Erfolg, hatte er in Deutschland wenig Aufmerksamkeit erregt; und ich selbst hatte nicht einmal seinen Namen gehört, als mich im Jahre 1864 ein Freund zu ihm führte, und mir einige seiner kleineren Arbeiten, die er mir zeigte, einen so hohen Begriff von seiner Kunst gaben, dass ich seitdem sein Atelier fast alljährlich wieder besuchte. Dreber war nicht abgeneigt, meinem Wunsche gemäss, eine Skizze, Sappho am Meeresstrande, in grossen Verhältnissen für mich zu malen, setzte indes hinzu, dass bis zur Vollendung des Gemäldes Jahre vergehen würden. Er war von ernstem Eifer beseelt, etwas möglichst Vollkommenes zu leisten. Nachdem er mehrere Jahre unermüdeten Fleisses der Sappho gewidmet hatte, erklärte er plötzlich, er verzweifle daran, seine Arbeit zu Ende zu führen; kein Zureden half: er that lange keinen Pinselstrich an dem Bilde. Wie achtungswert, der Leichtfertigkeit Anderer gegenüber, mir dies sein Verhalten auch erscheinen musste, so beklagte ich doch solche allzu grosse Aengstlichkeit. Um erfolgreich zu schaffen, bedarf der Künstler, neben bescheidenem Fleisse und sorgfältiger Prüfung seiner eigenen Kräfte, doch auch der rechten Kühnheit. Zum Glücke fand Dreber einige Jahre später den verlorenen Mut wieder. Preller bestimmte ihn bei einem Besuche seiner Werkstatt, die aufgerollte Leinwand hervorzuholen, und sagte ihm so viel Lobendes über sein Bild, dass seine Zaghaftigkeit wich und er es nun mit rüstiger Kraft in nicht allzu langer Zeit beendigte. Dies ist unter den günstigsten Sternen geschehen, und ich darf das Schicksal dafür preisen; denn Dreber hat hier so Vorzügliches erreicht, wie ich ihm selbst kaum zutraute, und seine Sappho wird für immer ein rühmliches Denkmal seines edlen, von Erfolg gekrönten Strebens sein. Die