Seite:Die Gemälde-Galerie des Grafen A. F. v. Schack.pdf/54

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und mit dem ganzen geheimnisvollen Reize umgeben ist, in welchem es früher der Wanderer auf der Reise durch die pontinischen Sümpfe vor sich liegen sah. Seitdem die Eisenbahn erbaut und die ältere Strasse verlassen ist, entgeht dem Reisenden dieser Anblick; und auch wer den schöngeformten, von dem märchenhaften Zauber der Homerischen Dichtung umflossenen Berg von der Höhe der Peterskuppel oder den Hügeln Albanos aus gewahrt, empfindet bei dem Anblicke kaum noch den süssen Schauer, mit dem er die frühere Generation durchbebte, da er ihr als Hüter eines fast unerreichbaren Wunderlandes erschien. Denn jetzt hängt es von dem Willen fast eines Jeden ab, in wenigen Stunden die Strecke zu durchmessen, die ihn von dem Platenschen „Lenz des Erdballs“, der „Parthenopeischen Flur“, trennt, während früher derjenige der römischen Künstler, dem dies vergönnt war, von den Uebrigen schon als ein Auserwählter betrachtet wurde. In solchem Sinne hat Willers sein Capo Circello aufgefasst, und der Geist seiner ersten Skizze ist auf das viel spätere Bild übergegangen. Wie er mir erzählte, vermochte er während seines Aufenthaltes in Rom viele Jahre hindurch sein Verlangen nach weiteren Reisen nicht zu befriedigen, und alsdann suchte er stets vorzugsweise die Höhen auf, von denen aus er Auge und Seele nach dem circeischen blauen Felsen hinüberschweifen lassen konnte. Wie viele Vorteile mit dem erleichterten Verkehre unserer Zeit verbunden sein mögen, so hat derselbe doch auch manches Phantasiegebilde, manche poetische Empfindung unbarmherzig zerstört. Seit der Einführung der Dampfschiffahrt ist im ganzen Bereiche des Mittelländischen Meeres kein Platz mehr für die Sagenwelt der Odyssee. Auch die süssschmerzlichen Gefühle, mit welchen Goethe am Abend vor seinem Abschiede von Rom alle Plätze der ewigen Stadt in der Gewissheit, sie zum letztenmale zu betreten, nochmals besuchte, kann sich, wenigstens in dieser Stärke, fast nur noch die Einbildungskraft vergegenwärtigen, da bei der Leichtigkeit der Reise dorthin den Meisten doch die Hoffnung des Wiedersehens bleibt. Ich selbst habe bei meinem ersten Abschiede von Rom Aehnliches empfunden, wie Goethe, bin aber seitdem noch mehr als dreissig Male wieder hingekommen. Schon einige Jahre vor dem letztgenannten Bilde vollendete Willers seine grosse Ansicht der Akropolis von Athen. Im Kolorit ist er hier wohl weniger glücklich gewesen; das überallhin verbreitete, durch keinen Schatten unterbrochene Licht erzeugt eine gewisse Monotonie, die allerdings bei der ziemlich baumlosen Umgebung der griechischen Hauptstadt schwer zu vermeiden war. Desto trefflicher sind das felsige Terrain und die Architektur wiedergegeben, und zwar mit einer Treue, mit einer sinnlichen Leibhaftigkeit, dass man bei Betrachtung des Gemäldes die Hochburg von Athen fast kennen lernen kann, wie aus der Anschauung der Wirklichkeit. Vorn sieht man die riesigen Säulen des Tempels des olympischen Zeus; über sie hinweg die Südostseite der Akropolis, deren Hauptanziehungspunkt jetzt die Reste des erst nach Willers’ Besuch von Athen aufgegrabenen Dionysostheaters bilden. Sich gegen den Hintergrund wendend gleitet das Auge nach dem Piräus, dem Meere und Salamis hin.

Ein Seelenverwandter von Willers, gleich ihm ebenso von der Herrlichkeit südlicher Landschaft, wie von der des Altertums erfüllt, war der schon zu Anfang dieser Schrift genannte Karl Ross. Als Andenken an ihn bewahre ich eine sehr schöne Ansicht des Haines der Nymphe Egeria bei Rom. Dieser Punkt ist seit lange ein Lieblingsplatz der Künstler gewesen und sehr häufig aufgenommen worden, wie ich denn noch ein anderes, dieselbe Lokalität darstellendes schätzbares Bild von Georg Köbel besitze. Auf beiden Prospekten ist die Oertlichkeit frei behandelt, indem in Wahrheit der kleine Hain (der früher vielleicht grössere Ausdehnung hatte) sich in einiger Entfernung von der Grotte befindet. Das Gemälde von Karl Ross zeichnet sich durch tiefe poetische Naturempfindung aus. In den gewaltigen Baumwipfeln, welche das Heiligtum der Nymphe überschatten, scheint ein hehrer Sturm wie in den Eichen des Haines von Dodona zu sausen, und jenseits erblickt man die wellenförmige Campagna in jenem wunderbaren Farbenspiele, das sie seit Claude Lorrain und Poussin zu einer unerschöpflichen Quelle des Studiums für die Landschaftsmaler gemacht hat.

Einer anderen, mehr modernen Richtung folgte mit ausserordentlichem Talente Fritz Bamberger, indem er, ohne die festen Linien der Zeichnung zu vernachlässigen, besonders auf das Glänzende des Kolorits ausging. Auch er hatte seine künstlerische Heimat im Süden; aber nicht Italien, das er nie gesehen, sondern Spanien war das Land, aus welchem er seine besten Inspirationen schöpfte. Er hatte die pyrenäische Halbinsel zu wiederholten Malen bereist und einen erstaunlichen Reichtum von Skizzen, die er an deren schönsten Punkten aufgenommen, heimgebracht. Ein allzu kurzes Leben hat ihm nur wenige derselben als Gemälde auszuführen verstattet. Vor etwa dreizehn Jahren traf ich in verschiedenen Gegenden Spaniens mit ihm zusammen, wo er unermüdlich vom Morgen bis zum Abend in der schon heissen Glut des Juni nach der Natur zeichnete und aquarellirte. Bald darauf ging eine rätselhafte Veränderung in dem so kräftigen, blühenden Manne vor; er begann an einem für die Aerzte unerklärlichen Uebel zu siechen, und im Zeitraume von zwei Jahren schien er um zwanzig gealtert. Doch noch bis in seine letzten Tage fand er Trost und Labsal in seiner Kunst, und ich sah ihn im Winter 1872 in seinem Atelier von Bildern des sonnigen Südens umringt, denen seine schon zitternde Hand noch die grösste Farbenpracht geliehen. Er selbst hatte, wie dieses so oft bei Schwerkranken der Fall ist, keine Ahnung von dem bedrohlichen Charakter seines Leidens und machte noch Pläne zu einer neuen Reise nach Spanien. Ich aber nahm, als ich ihn verliess, fast die Gewissheit mit mir hinweg, ihn zum letztenmale gesehen zu haben. Und wirklich empfing ich einige Monate später die schmerzliche Kunde seines Todes. Hätte er