Seite:Die Gemälde-Galerie des Grafen A. F. v. Schack.pdf/56

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erzählte, klagte er mir, dass er von Jahr zu Jahr wahrnehme, wie deutsches Wesen und deutsche Sitte in dem alten Reichslande täglich mehr zurückgedrängt werden. – Meine Galerie verdankt ihm eine sehr schöne, markig entworfene, und mit eben so feiner, wie fester Hand ausgeführte Küste von Helgoland bei Nacht.

Als Haupt der Landschaftsmaler Münchens ward, während fast eines halben Jahrhunderts, Eduard Schleich angesehen. Man kann ihm den Namen eines wahrhaft grossen Künstlers nicht streitig machen; und so viele Schüler und Nachahmer er auch gefunden, ist er in seiner Eigenartigkeit doch von keinem erreicht worden. Sein charakteristisches Merkmal ist, dass er durchaus subjektiv jede Gegend, die er uns vorführt, mit seiner Gemütsstimmung durchdringt und seine Landschaftsbilder gleichsam in lyrische Gedichte verwandelt. Mit Gewalt zieht er den Beschauer in diese Stimmung hinein, und selbst unbedeutende Oertlichkeiten dienen ihm dieselben hervorzurufen. Eine traurige, mit wenigen verkrüppelten Weiden besetzte Niederung, über welche schwere Regenwolken herabhängen, weiss er dadurch so interessant zu machen, wie die grossartigste Gebirgsscene. Mit erstaunlichem Glücke hat er in dieser Hinsicht die Umgebung von München malerisch verwertet. Er hat sie, die Manchen steril, ja nüchtern erscheint, mit der Macht seines Genius beseelt, so dass sie mit ihren zerrissenen Isarufern und den Durchblicken auf das ferne Hochgebirge als ein Wunderland der Poesie vor unserem Auge steht. Und doch ist keiner dieser Reize ihr bloss angedichtet; mit dem Herzen und Tiefblick des Künstlers hat Schleich Schönheiten der Natur entdeckt, die bis dahin den Profanen verborgen gewesen, und nun er sie erschlossen, liegen sie für Jeden offen da. Seit dieser seltene Maler von der Seuche, welche 1873 die bayerische Hauptstadt verwüstete, hinweggerafft worden, hat er doch seinen Geist in deren Umgebung zurückgelassen. Ich kann keinen Spaziergang in der Nähe Münchens machen, ohne dass mich diese oder jene Aussicht an Schleich gemahnte, und ich glaube oft, er müsse ihr Schöpfer sein. Denn bevor ich seine Gemälde gesehen, hatte ich keine solchen Eindrücke von dieser Natur empfangen. – Leider habe ich es versäumt, meiner Galerie so viele Werke des trefflichen Künstlers einzuverleiben, als nötig wären, um sein eminentes Talent genügend zu repräsentiren. Einen Ersatz für die Menge aber bietet es mir, dass ich ein höchst vorzügliches Bild von ihm besitze: Eine Ansicht des Starnberger Sees, die man ein wahres Wunder der Kunst nennen muss. Was ich von einem Gemälde Böcklins sagte, gilt auch von diesem: es würde unmöglich sein, es zu kopiren.

Die Mannigfaltigkeit der Farbentöne, das Spiel von Licht und Schatten, die von den ziehenden Wolken gebrochenen, hier auf die Wellen des Sees, dort auf die fernen Schneegebirge herabfallenden Strahlen würden jede auf eine etwaige Nachbildung gerichtete Mühe vereiteln. Schleich hat dieses Bild, das verdientermassen grossen Beifall fand und als eine seiner genialsten Arbeiten betrachtet wurde, später verschiedentlich wiederholt; doch bekannte er mir, in keiner dieser Wiederholungen habe er den ersten glücklichen Wurf wieder erreichen können. – In den beiden anderen Gemälden seiner Hand, welche sich noch in meiner Sammlung finden, erscheint er zwar in seiner ganzen Trefflichkeit, doch weniger in seiner charakteristischen Eigentümlichkeit. Die wahre Heimat seiner Kunst war die bayerische Hochebene; mit ihr fühlte er sich so verwachsen, dass er sich selbst unter dem leuchtenden Himmel Italiens, aus der römischen Campagna und vom Golf von Neapel nach ihrem trüben Wolkengrau, ihren Mooren und ihren kiesigen Strombetten zurücksehnte. Er hat während eines kurzen Aufenthaltes auf der apenninischen Halbinsel nur wenig gemalt und auf diesen wenigen Bildern den heiteren Scenen des südlichen Landes ein fremdartiges Gepräge geliehen, indem er den düsteren Himmel des Nordens über sie hinbreitete. So erkennt man in seinem, übrigens als Nachtstück sehr gelungenen Venedig bei Mondschein kaum die lachende Lagunenstadt mit ihren glänzenden Renaissancepalästen und über den Kanälen hängenden Terrassen, sondern glaubt eher Amsterdam oder Hamburg vor sich zu sehen. – Auch der Gebirgsansichten, deren in München so zahllose zu Tage gefördert werden, hat Schleich nicht viele producirt. Eine solche, die ich besitze, aber zeigt, wie er hierin gleichfalls Ausgezeichnetes zu leisten vermochte. Es ist eine Alpe im hinteren Zillerthal, auf welcher das fette, von einer Heerde beweidete Gras ganz von dem eben gefallenen Regen genässt zu sein scheint, und von wo der Ausblick durch einen ziehenden Nebel auf ein leuchtendes Schneehaupt eine höchst pittoreske Wirkung macht. – Wir sind immer geneigt, die grossen Künstler früherer Zeit als ausser allem Vergleiche stehend zu betrachten und es für unmöglich zu halten, dass ein neuerer sich mit ihnen messen könne; jedoch unbedingte Gültigkeit möchte diese Meinung nicht haben, und ich glaube, dass Schleich von der Zukunft als Landschafter unmittelbar an die Seite der Besten seiner Vorgänger gestellt werden, dass man noch nach Jahrhunderten seine Werke ebenso begierig suchen wird, wie heutzutage die des Ruysdael und Everdingen.

Von sonstigen Gemälden dieses Faches in meiner Galerie erwähne ich noch: eine sehr brave, an den ernsten Stil Prellers erinnernde Ansicht von Olevano von C. Neubert; eine reizende Gartenscene von Karl Ludwig, der es in Darstellung solcher Wald- und Gartenpartien zur Virtuosität gebracht hat; eine Alm am Untersberge mit ruhenden Kühen von Ernst Kaiser, die in ihrem idyllischen Charakter an Adrian Van der Velde erinnert; eine von hohem Schilfe erfüllte Bucht des Kochelsees von Anton Zwengauer; eine Winterlandschaft von A. Stademann, der, wenn er wie hier sorgfältig arbeitet, den guten Niederländern gleichgestellt werden darf; eine, von der untergehenden Sonne überstrahlte Ansicht der Meeresküste bei Smyrna, von der Karawanenbrücke aus gesehen, von Max Schmidt; eine Landschaft echt italienischen Charakters, aufgenommen in Cervara bei Rom, von Ernst Schweinfurth, einem mir befreundeten, strebsamen Künstler, den nun auch der Tod schon hinweggenommen hat; ein heiteres und sonniges Bild des Comersees von dem schon genannten Albert Zimmermann; endlich darf ich zwei Bilder von Karl