Seite:Die Gemälde-Galerie des Grafen A. F. v. Schack.pdf/68

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

ausgedrückt worden. D. Penther in Wien hat eine gelungene Kopie des Wunderbildes für mich gefertigt, die nicht nur den edlen Formen, sondern auch dem lichtschimmernden, in seinem weissen Glanze gleichsam die Keuschheit der Heldin symbolisirenden Kolorit gerecht wird. – Demselben Künstler verdanke ich eine Kopie der Lucrezia des Palma Vecchio, gleichfalls im Wiener Belvedere. Die tugendhafte Römerin auf diesem Gemälde zeigt den vollendetsten Typus venezianischer Frauenschönheit, und hierum war es offenbar dem Künstler auch allein zu thun; das Dramatische des dargestellten Vorganges hat er ganz ausser Acht gelassen. Seine Lucrezia stösst sich den Dolch so behaglich, mit so heiter lächelndem Gesichte in den Busen, als ob für sie der Tod die grösste Wonne wäre.





XIII.


Seit lange trug ich mich mit dem Gedanken, den hohen Meister Michel Angelo mit einigen seiner Hauptschöpfungen zu den anderen Malern zu gesellen, die ich schon in meiner Galerie versammelt hatte. Dass hier vornehmlich einige der Deckenbilder, sowie der Propheten und Sibyllen in der sistinischen Kapelle in Betracht kommen müssten, stand für mich fest. Wie ich während der letzten zwanzig Jahre fast ebenso viele Male dies Heiligtum der Kunst besuchte, wuchs in mir der Wunsch, Nachbildungen derjenigen Fresken zu erlangen, in denen der Genius des grossen Florentiners sich am glorreichsten verkündet. Aber der Ausführung stellten sich die allergrössten Schwierigkeiten entgegen. Die Kapelle ist äusserst schlecht erleuchtet, und die Fresken sind so hoch angebracht, dass es selbst dem bewaffnetem Auge schwer wird, sie völlig deutlich zu erkennen. Um sie nicht nur in ihren grossen Umrissen, sondern auch in allen Details wiederzugeben, muss der Künstler einen Adlerblick besitzen, und dabei eine körperliche Rüstigkeit und Nervenkraft, wie sie Wenigen verliehen ist. Denn es wird ein beständiges Starren und Spähen, ein steter Gebrauch der schärfsten optischen Gläser erfordert, es sind mechanische Vorrichtungen nötig, durch die man den Gemälden näher gebracht wird, weil manche Einzelheiten sich sonst absolut nicht unterscheiden lassen; wer dem Schwindel unterworfen ist, kann sich durchaus nicht an die Arbeit wagen, denn sie will auf einem hohen Gerüste unternommen sein. Zeitweise ist es aber auch nothwendig, zum Zwecke der besseren Besichtigung, eine der beiden Seitengalerien zu betreten, die nur schmal und ohne Ballustrade sind, so dass der kleinste Fehltritt lebensgefährlich sein würde. Endlich, wenn alle diese mechanischen Hemmnisse auch besiegt wären, würde derjenige Künstler doch seiner hohen Aufgabe schmählich erliegen, dem nicht die geistige Kraft zu Gebote steht, sich in sein gewaltiges Urbild zu vertiefen, der nicht in jahrelangem Studium nach dem Verständnisse Michel Angelos gerungen, bis sich dessen Genius ihm in seiner Fülle und Erhabenheit offenbart hat.

Je häufiger ich alle diese Schwierigkeiten erwog und bei meinen wiederholten Besuchen der Kapelle mich von den, sich schon äusserlich entgegenstellenden Hindernissen überzeugte, desto klarer ward es mir, dass völlig befriedigende Kopien dieser Fresken überhaupt nicht herzustellen seien. Eine dem Originale durchaus adäquate Wiedergabe ist natürlich nur möglich, wenn der Nachbildner das erstere in allen seinen Teilen auf das genaueste sehen kann, und diese Vorbedingung fehlt hier durchaus. Ich erkannte daher, ich müsse meine Erwartungen herabstimmen und mich mit dem begnügen, was sich unter solchen Umständen erreichen liesse. Mir schien, dass schon ein Künstler, der dies Erreichbare leistete, sich ein hohes Verdienst erwerben würde. Denn die Fresken der Sistina gehen eilends dem Untergange entgegen: der Kalk, worauf sie gemalt sind, ist nach allen Seiten mit zahlreichen Rissen durchzogen, und irgend eine Erschütterung kann ihn und mit ihm die Herrlichkeiten, die er trägt, in der nächsten Stunde in die Tiefe stürzen; so wird die Zukunft begierig nach Allem forschen, was ihr einen genaueren Begriff von den hohen Bildwerken zu geben vermag, als es farblose Umrisse können. Es wäre trostlos, wenn das Höchste, was die Kunst überhaupt geleistet, zu Grunde ginge, bevor noch durch Nachbildungen, wenn auch von unvollkommener Art, so viel wie möglich von ihm gerettet worden.

Nachdem ich geraume Zeit über mein Vorhaben gebrütet hatte, und dessen Ausführung durch die verschiedensten Hemmnisse immer vereitelt worden war, sah ich die Photographien, welche Braun in Dornach mit seltener Geschicklichkeit bei elektrischem Lichte von Michel Angelos Fresken aufgenommen hatte. Sogleich kam mir Gedanke, dass diese für den Maler, der die Kopie derselben unternähme, ein grosses Hilfsmittel sein würden. Fast gleichzeitig lernte ich auch einen jungen Künstler kennen, der mir das Vertrauen einflösste, er besitze nicht nur die begeisterte Hingebung, sondern auch die Kräfte, um sich der kolossalen Aufgabe mit Erfolg zu widmen. Dies war der seit lange in Rom lebende Karl Schwarzer. Ich liess ihn zunächst, ohne ihm noch von meinem hochfliegenden Plane zu reden, prüfungsweise ein Bild kopiren, bei dem er darthun konnte, dass er jenen Nachdruck und jene eiserne Energie besitze, die mir ein Haupterfordernis zu sein schien, um dem mächtigen Florentiner nicht ganz zu unterliegen. Das von mir gewählte Gemälde war das im Palaste Doria zu Rom befindliche Porträt der beiden Gelehrten und Staatsmänner Navagiero und Beazzano von Rafael, das besonders zur Wiedergabe der Physiognomie des Navagiero jene Eigenschaften in hohem Grade verlangt. Schwarzer entledigte sich dieses Auftrages in sehr befriedigender Weise, und nun machte ich ihn mit meinem Vorhaben bekannt. Er verhehlte sich die ausserordentliche Schwierigkeit der Aufgabe nicht, zog dieselbe nach allen Seiten hin in Erwägung und machte mich auf Einiges aufmerksam, was diese Schwierigkeit noch grösser erscheinen liess, als sie sich vorher mir dargestellt hatte. Die Fresken der Sistina, ursprünglich mit kräftigen, auf weite Ferne hin stark hervortretenden Farben gemalt, sind gegenwärtig, infolge des Kerzendampfes und des Staubes, der sich an ihnen festgesetzt hat, von einer grauen Decke überlagert, die sich wohl nicht mehr ohne Gefahr für die Bilder selbst entfernen lässt. Bei einer Kopie nun es auf eine Wiederherstellung des ursprünglichen Kolorits abzusehen, würde ein höchst vermessener Versuch sein; trotzdem konnte man einen Augenblick schwanken, ob er nicht gewagt werden sollte, und es war als gewiss vorauszusehen, dass bei Beibehaltung der jetzigen Färbung der Originale vielfach Klage über die Mattheit des Farbenauftrages erhoben werden würde. Dennoch erkannte ich das letztere Verfahren bald für das einzig richtige, und ich habe seitdem in der damals gewonnenen Ueberzeugung nicht gewankt, dass bei allen Kopien nichts anderes übrig bleibe, als sich an die Originale in ihrem jetzigen Zustande zu halten. Ich gehe hierin so weit, dass es mir am zweckmässigsten scheint, auch die Restaurationen und Retouchen, die sie erlitten, mit nachzubilden, da selbst der beste Künstler sich nicht die Divinationsgabe zuschreiben wird, ihren früheren Zustand mit völliger Sicherheit zu erraten. Nachdem Alles gehörig erwogen war, ging Schwarzer, im vollen