Seite:Die Gemälde-Galerie des Grafen A. F. v. Schack.pdf/79

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Grund unseres Wohlgefallens am Schönen ist eben etwas Undefinirbares. Wenn wir den Duft einer Blume besonders lieben, vermögen wir nicht zu beweisen, dass derselbe vorzüglicher sei, als der der übrigen, und eben so wenig können wir Solche, die darin nicht empfinden wie wir, zu unserem Geschmack bekehren. Mögen denn Andere sich vor Buonarottis Madonna bekreuzen und sie ein hässliches Mannweib nennen, ich, bei meiner Vorliebe für sie, die durch ein halbes Menschenleben nicht vermindert worden war, hatte gewiss recht, sie für mich kopiren zu lassen.

Nachdem in meinen Räumen sich so viele Gemälde angehäuft hatten, dass die Aufnahme neuer eine Ueberfüllung derselben und eine Beinträchtigung im Genusse der schon vorhandenen herbeigeführt haben würde, musste ich den Entschluss fassen, meiner Sammlung keine weitere Ausdehnung zu geben. Das letzte Bild, das für mich zu kopiren ich Wolf beauftragt habe, ist Correggios Giorno oder heil. Hieronymus in der Galerie zu Parma. Dieser Maler hat nie zu meinen Lieblingen gehört, und ich bin der Meinung, dass er lange sehr überschätzt worden ist, ja noch heute überschätzt wird. In fast allen seinen Werken stört mich Affektirtheit und Ziererei, besonders jenes süssliche, widrige Lächeln, das er seinen Figuren leiht; ich sehe in Correggio, obgleich er in der Blütezeit der Kunst lebte, sich schon deren Verfall stark ankündigen. Dass er aber in technischer Hinsicht bewundernswürdig ist, habe ich nie verkannt und so wünschte ich denn auch ein Specimen der Leistungsfähigkeit eines so berühmten Mannes aufweisen zu können. Kein Bild nun schien dazu geeigneter, als der genannte „Giorno“ in Parma, der wohl mit Recht als Correggios Meisterstück gilt. Es ist in ihm eine Fülle des Lichts, wie man sie nie gesehen hat, und ein wirklich fabelhafter Glanz des Kolorits, und wegen dieser Vorzüge wollen wir denn über die Grimasse der meisten Figuren, namentlich des Christkindes, hinwegsehen.

Bei einer Ueberschau der elfjährigen angestrengten Thätigkeit, welche Wolf in der Reproduzirung alter Maler für mich entfaltet hat, muss man ebenso über die Fülle, wie über die Trefflichkeit seiner Leistungen erstaunen. Da er erst in der Blüte des Mannesalters steht, liegt noch ein ausgedehntes Feld für weitere Arbeiten vor ihm. Aber selbst wenn er jetzt mit denselben abschlösse, hätte er schon genug für ein ganzes Menschenleben gethan. Denkmale der Liebe und innigen Hingebung, mit der er sich in Tizian, Paolo, Giorgione und Palma versenkt hat, sind auch seine Originalgemälde, ein venezianisches Festgelage auf Murano, und Giorgione mit seiner Geliebten, auf welchen ein schöner Widerschein der Glanzperiode italienischer Kunst ruht. Hätte er mehr ähnliche Bilder gemalt und sie auf die Ausstellungen gesandt, so würde sein Name in weiteren Kreisen wohl bekannter geworden sein, als er jetzt ist. Wenn ihm für seine vorzüglichen Nachbildungen alter Kunstwerke keine Medaille zu Teil geworden, so ist er statt dessen des warmen Dankes aller echten Kunstfreunde gewiss. Schon die gegenwärtige Generation wird vielleicht den Untergang von Tizians „Familie Pesaro“ erleben, da die Farben nur noch als eine dünne Schicht über der Leinwand liegen und bei einer leichten Erschütterung herabfallen müssen. Dann wird August Wolf der Ruhm zuerkannt werden, das göttliche Bild der Zukunft gerettet zu haben, und wenn nach und nach auch die anderen Meisterstücke einer noch unerreichten Kunst, die er kopirt hat, den vielen, die schon zu Grunde gegangen, nachfolgen, werden ihn unsere späten Enkel dafür preisen, dass er ihnen noch den Genuss derselben ermöglicht hat.




Es ist eine wehmütige Empfindung, die mich beschleicht, indem ich das letzte Gemälde, die Kopie nach Correggio, in meiner Galerie aufhänge. Denn die Bildung dieser Sammlung hat die Mussestunden von vierundzwanzig Jahren angenehm für mich ausgefüllt, indem ich mit den Künstlern die Sorge um das Gelingen ihrer Werke, sowie die Freude über die glücklich vollendeten teilte. Doch verbindet sich damit auch ein Gefühl der Befriedigung, wenn ich auf diese Periode zurückblicke. Infolge der herzlichen Verachtung, die ich von jeher, in Kunst wie Litteratur, gegen die Tagesmode gehegt, traf ich meine Auswahl stets im entschiedensten Gegensatze gegen dieselbe und habe mein Prinzip als das richtige bestätigt gefunden; denn während die von mir gewählten Kunstwerke sich, wenn auch nur langsam und in engen Kreisen, den Weg zu dauernder Anerkennung bahnen, habe ich den Modegeschmack mit den von ihm gehätschelten Produkten seitdem schon mehrmals Bankerott machen sehen. Weiter muss ich es ein Glück nennen, dass, als ich anfing zu sammeln, eine Anzahl ausgezeichneter Talente auf der vollen Höhe ihrer Schaffenskraft standen. Hätte ich nur zehn Jahre später begonnen, so wäre es mir unmöglich gewesen, so viel Treffliches zusammen zu bringen; denn wie manche Begabte sich auch unter dem jüngeren Nachwuchs finden mögen, der hohen, echten, idealen Kunst weihen sich nur Wenige, und was das Schlimmste ist, diese Wenigen finden keine Ermutigung durch das Publikum, werden daher meist, wenn sie nicht nach fruchtlosem Ringen früh zu Grunde gehen, mit gebrochenen Kräften auf andere Bahnen getrieben, welche heute allein noch Erfolg versprechen. Träte jetzt ein Genelli oder ein Feuerbach auf, sie würden wo möglich noch mehr vernachlässigt werden, als jene es wurden, da ich sie kennen lernte. Die Hoffnung, dass mit dem neuen deutschen Reiche eine Periode frischen geistigen Lebens anbrechen werde, schwindet mehr und mehr, und es wäre thöricht, die Regierenden dafür verantwortlich zu machen. Denn wenn selbst Perikles und Lorenzo von Medici vereint an die Spitze dieses Reiches träten, um eine solche Blütenepoche in ihm hervorzurufen, ihr Streben würde an dem heute in Deutschland lebenden Geschlechte scheitern, das nur noch Sinn für das Leerste hat, und, wie dies Schicksal stets die Hohlheit ereilt, auf den verschiedensten Gebieten der Kunst und Litteratur mehr und mehr die Beute von Spekulanten und Schwindlern wird. – Für mich knüpft sich endlich an die Sammlung, der ich diese Blätter gewidmet habe, noch eine Erwägung von Wert. Bei der eisigen Kälte und tötlichen Gleichgiltigkeit, welche die ganze deutsche Nation von jeher meinem eigenen poetischen und litterarischen Schaffen gezeigt hat und noch jetzt zu zeigen fortfährt, wo mein Abend