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Walther Kabel: Die Geschichte des Ritters von Lanvers. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 6, S. 214–216

derer vermehren wollte, die sich kühn in einer Verkleidung als Spione in die Mauern von Akkon eingeschlichen, und deren Köpfe die Türken dann hohnlachend mit ihren Wurfmaschinen ins Lager der Christen als blutige Warnung zurückgeschleudert hatten.

Da meldete sich eines Tages bei König Philipp ein Soldat, der erst kürzlich mit einem neuen Trupp aus Frankreich eingetroffen war, und erklärte sich bereit, den gefährlichen Kundschaftergang nach Akkon hinein zu unternehmen. Namen und Herkunft wollte der beherzte Mann erst angeben, wenn er sein Vorhaben glücklich ausgeführt hätte.

Am nächsten Tage wurde im Angesicht der Stadt ein Gerüst mit einem Richtblock aufgestellt und wenige Stunden später dann ein schwer gefesselter Soldat auf diese Richtstätte hinausgebracht, um die die Truppen in weitem Kreise aufgestellt waren. Neugierig schauten die Türken von ihren Wällen diesem Schauspiele zu. Schon hatte der Scharfrichter seinen Gehilfen einen Wink gegeben, um den Delinquenten auf den Block zu legen, als der Todeskandidat mit dem Mute der Verzweiflung die Scharfrichterknechte von sich abschüttelte, das Henkerschwert ergriff, sich mit wütenden Hieben eine Gasse durch die Umstehenden bahnte und dann in langen Sätzen nach der Stadt zu entfloh, zunächst noch eifrig von unzähligen Leuten verfolgt, die aber bald vor den einen Ausfall machenden Türken wieder umkehren mußten.

Durch diese List – die Hinrichtung und die Flucht des Verurteilten waren auf Vorschlag jenes Soldaten, der sich als Spion angeboten hatte, nur zur Täuschung der Belagerten in Szene gesetzt worden – gelangte der angebliche Delinquent glücklich nach Akkon hinein, wo er dann erzählte, er sei wegen Auflehnung gegen einen grausamen Vorgesetzt zum Tode verurteilt worden und wünsche jetzt nichts sehnlicher, als gegen die, die ihm nach dem Leben trachteten, kämpfen zu dürfen. Er wurde wirklich in die Reihen der Ungläubigen eingestellt und hatte nun die beste Gelegenheit, sich in der eingeschlossenen Stadt genau umzusehen.

Nach drei Wochen kehrte er dann in einer finsteren Nacht

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Walther Kabel: Die Geschichte des Ritters von Lanvers. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 6, S. 214–216. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1912, Seite 215. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Geschichte_des_Ritters_von_Lanvers.pdf/3&oldid=- (Version vom 31.7.2018)