Seite:Die Goldkarawane.pdf/183

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

nun von einem Löwen mit dumpfen Gebrüll angefallen worden. Dann stolperten meine schleppenden Füße über einen Stein. Ich fiel beinahe der Länge nach hin, raffte mich auf, kam wieder ins Gleichgewicht und war so völlig munter geworden.

Löwengebrüll? – Träumte ich noch? Das war doch fraglos die Stimme des Königs der Tiere, – das war keine Traumtäuschung, sondern jene charakteristische Reihe von grollenden Lauten, die niemand vergißt, der sie einmal in voller Stärke gehört hat.

Eine Weile Schweigen. Hier in dieser Felsenwildnis wirkte diese Stille nach der eben erfolgten Erschütterung der Luft durch die mächtige Stimme des Herrn der Wüste doppelt beklemmend.

Dann – abermals das zornige Murren in der Ferne, nur noch stärker, noch anhaltender.

Und nun – Schüsse – ein lebhaftes Geknatter.

Ich fuhr zusammen. Eine seltsame Ideenverbindung zuckte in meinem Hirn auf: Der alte Tempel, der Heilige mit seinen zahmen Löwen und seinen von den Pilgern ihm gespendeten Weihgeschenken, dazu die räuberischen Channeks, lüstern auf diese Geschenke.

Da eilte ich schon vorwärts, erklomm den Ostabhang der Schlucht, tastete mich auf einem schmalen Felsgrat zwischen zwei Abhängen weiter. Die Schüsse waren ja unzweifelhaft in östlicher Richtung gefallen. Ich hatte Glück. Die Wolkenfetzen gaben den Mond wieder frei. Nun hatte ich auch ebeneres Gelände vor mir, einen sanft ansteigenden Bergrücken. Ich rannte weiter, denn noch immer knallten vor mir, jetzt schon bedeutend näher, einzelne Schüsse, in die sich gelegentlich ein kurzes wütendes Brüllen mischte.

Der Schweiß drang mir aus allen Poren, lief mir in die Augen. Nur weiter! Jetzt war ich fest davon überzeugt, daß wir uns in der richtigen Hügelkette befanden

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Die Goldkarawane. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1919, Seite 183. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Goldkarawane.pdf/183&oldid=- (Version vom 31.7.2018)