Seite:Die Goldkarawane.pdf/188

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hohe, magere Gestalt, gehüllt in ein braunes, langes Gewand, ähnlich einer Mönchskutte, in der Mitte zusammengehalten durch einen Riemen, in dem – zwei Revolver steckten. In der Linken hielt er ein modernes Militärgewehr. Sein Kopf war unbedeckt, sein von einem langen, schneeweißen Bart umrahmtes, faltiges und tiefdunkles Gesicht mit den starken, weißen Brauen und den großen Augen glich den Bildern altbiblischer Patriarchen, wie sie uns die Kirchenmaler der holländischen Schule in charakteristischer Ehrwürdigkeit dargestellt haben. Um die Stirn und den von langherabhängenden weißem Haar bedeckten Kopf trug er einen breiten Streifen schwarzen Stoffes, auf den vorn ein Totenkopf aus hellerem Stoff aufgenäht war.

Die Löwen beschnupperten mich nach Hundeart. Ich fuhr ihnen furchtlos über die Mähnen hin, kraute ihnen die Köpfe.

Dann nahm der Heilige mich mit nach dem Tempel hinauf. Dieser besaß zwei Räume: einen vorderen, in dem eine Art Altar, Weihrauchbecken und ein paar Steinbänke standen; der dahinter befindliche, in den man durch eine niedrige Tür gelangte, war durch mehrere Öllampen erhellt. Staunend glitten meine Augen über die dürftige Einrichtung hin, – staunend, da all diese Gegenstände hier, fraglos von dem Marabut selbst angefertigt, europäischer Art waren: ein Tisch, zwei Schemel, ein niedriges Bett, ein Schrank, ein paar Wandbretter und – ein großer Vogelkäfig mit zahlreichen gefiederten Bewohnern.

Der Heilige hieß mich Platz nehmen, holte von einem Herd aus der einen Ecke eine Schale mit dampfendem Inhalt, reichte sie mir, sagte:

„Sie sind erhitzt und ermattet. Trinken Sie! Es ist gekochter Wein mit Zucker!“

Er nannte mich plötzlich Sie, – sprach plötzlich

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Walther Kabel: Die Goldkarawane. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1919, Seite 188. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Goldkarawane.pdf/188&oldid=- (Version vom 31.7.2018)