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meinem Kognakfläschchen, das ich mir vorhin gekauft hatte, zu trinken und brachte ihn schnell ins Bewußtsein zurück.

Er radebrechte das Englische so weit, daß wir uns verständigen konnten, war aber in seinen Äußerungen sehr zurückhaltend. Ein gewisser ablehnender Stolz trat in seinem Verhalten zu Tage, das für einen blinden Bettler – denn die Kleinigkeiten, die er feilbot, sollten ja nur den wahren Zweck seines Aufenthaltes auf der Straße verheimlichen – seltsam genug war.

Meine Teilnahme für ihn war zunächst lediglich durch sein braunes, edelgeschnittenes Gesicht und seine Jugend hervorgerufen worden. Vielleicht hätte ich mich mit ihm auch nicht weiter beschäftigt, wenn er nicht eben so merkwürdig schweigsam und bescheiden gewesen wäre. Ich vermutete hier ganz besondere Lebensschicksale, und da ich ja nach Nordafrika gekommen war, um Land und Leute zu studieren, führte ich ihn schließlich nach einer nahen Bank und begann ihn auszufragen. Hierbei erwähnte ich beiläufig, daß ich Deutscher sei. Kaum hatte ich diese Bemerkung fallen lassen, als ich gewahr wurde, wie in sein melancholisches Gesicht ein froher, beinahe freudiger Ausdruck trat. Und zu meinem größten Erstaunen sagte er nun sehr lebhaft – auf Deutsch:

„Sidi (Herr), Du bist wirklich aus Germanistan? – Dann brauche ich Dir gegenüber mein Elend auch nicht zu verheimlichen. Ich habe drei Jahre einen sehr reichen Sidi Deiner Heimat, der in der Sahara Löwen jagen wollte, als Diener begleitet. Von ihm lernte ich Eure Sprache. Als er nach Germanistan von hier aus heimkehrte, blieb ich noch in Algier, bekam dann aber die böse Augenkrankheit und erblindete in kurzem, so daß ich nicht zu meinem Stamme zurückkonnte, da man mir hier all mein Geld gestohlen hatte und niemand sich um mich kümmerte. Ich habe schließlich aber doch ein

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Walther Kabel: Die Goldkarawane. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1919, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Goldkarawane.pdf/24&oldid=- (Version vom 31.7.2018)