Seite:Die Goldkarawane.pdf/38

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an mir hoch tasteten, wie sie die Schenkel berührten, dem Oberkörper zustrebten.

Jetzt, als das Wasser mir bis zum Herzen reichte, erwachte nochmals der Wunsch zum Leben in mir. Die herabplätschernde Flut war ja so kühl, fast kalt. Sie mußte aus einer Quelle kommen. Und jeder weiß, der in ein kaltes Bad steigt, daß gerade unser Herz unter dem Einfluß der kühlen Nässe einen Moment still zustehen scheint, um dann desto lebhafter seine Arbeit fortzusetzen.

Der Wunsch zum Leben war da, und mit ihm abermals der summende Schwarm der Gedanken.

Leben – leben, – ja, ich wollte nicht sterben. Es mußte eine Rettung geben, mußte! Mit achtundzwanzig Jahren Abschied von der Welt zu nehmen, von dieser Welt, die gerade jetzt ihre vielfachen Schönheiten und Wunder mir hatte offenbaren sollen, – das konnte nicht sein, durfte nicht sein!

Vielleicht kam gerade jetzt jemand in der Nähe vorüber, gerade jetzt! Ich öffnete den Mund, wollte – wollte wiederum um Hilfe rufen.

Ein heiseres Röcheln erreichte mein Ohr – nichts weiter! Meine geschwollene Kehle, die überanstrengten Stimmbänder versagten den Dienst.

Dann ein neuer Gedanke! Vielleicht hatte die Feuchtigkeit die Riemen jetzt so weit erweicht, daß sie sich dehnten, daß ich die Hände aus den Schlingen bekam.

Ich versuchte es. Ich vermied dabei jede überflüssige Anstrengung. Ganz ruhig und mit klarer Überlegung ging ich vor. Eine fast unnatürliche Kaltblütigkeit hatte jetzt alles andere aus meinem Hirn verdrängt.

Ich drehte die Handgelenke, bis die Riemen nach unten glitten, wo die Haut noch nicht zerfetzt war. Ich drehte weiter, ganz sacht, drückte die Hände ganz schmal.

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Walther Kabel: Die Goldkarawane. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1919, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Goldkarawane.pdf/38&oldid=- (Version vom 31.7.2018)