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Verschiedene: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jahrgang, Band 1

Börne in der letzten Zeit.
Ein Nachtrag von I. Kuranda.


Die Debatten über Börne sind geschlossen. — Die verschiedenen Gegensätze und Abstufungen der öffentlichen Meinung, von dem glühendsten Enthusiasmus auf der einen Seite bis herab zum tiefsten Haß auf der andern, haben sich allmählig zu einem harmonischen Gesammturtheile verschmolzen; das Standbild des edlen deutschen Tribunen ist in festen Umrissen rein und geläutert aus dem Gusse hervorgegangen und hat seinen unverrückbaren Platz in der Geschichte unserer nationalen Entwicklung erhalten.

Bei dem offenen Charakter, der aus seinem Leben wie aus seinen Schriften spricht, war eine längere Verkennung oder ein Hin- und Herdeuten, wie etwa bei Göthe, unmöglich und die einzelnen Schattirungen und Uebergänge, die dem vollständigen Portraite etwa noch fehlten, hat Gutzkow’s Buch mit Scharfsinn und einer fast wissenschaftlichen Genauigkeit herausgestellt und ergänzt.

Vergessen wir auch das denkwürdige Buch Heine’s nicht. Ich sage denkwürdig, weil eine Manifestation der deutschen Gesinnung ihm auf dem Fuße folgte, die wir als einen der merkwürdigsten Momente der letzten Jahre betrachten.

Der deutsche Charakter, an und für sich zäh und in sich gekehrt, wird durch die äußeren Hindernisse, die er durch Censurhemmung und Polizeiüberwachung erfährt, noch mehr von jenen öffentlichen und lebhaften Aeußerungen des Nationalgefühls, wie man sie in England und Frankreich findet, zurückgehalten. Wenn bei unsern Nachbarn jede innere nationale Strömung sogleich ihre Wirbel bis auf die Oberfläche treibt, und man an dem Schäumen und Branden der Presse und der Tribüne sogleich beurtheilen kann, was in dem Schooße der Nation keimt, gährt, oder aufgerieben wird, so bietet Deutschland im Gegensatze oft Jahrelang den Anblick eines stillen geheimnißvollen Meeres, von dem man nicht weiß, welche Vegetation oder vulcanische Umänderung es in seinen Tiefen verbirgt. Nur selten spaltet sich

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Verschiedene: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jahrgang, Band 1. Herbig, Leipzig 1841, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Grenzboten_1-1841.pdf/110&oldid=- (Version vom 31.7.2018)