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Verschiedene: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jahrgang, Band 1

Das folgende Jahr war durch zwei andere Verbindungen merkwürdig, wodurch das Haus Orleans zu einem souveränen wurde, und welche bewiesen, wie hoch der Herzog von Orleans durch sein edelmüthiges Benehmen und seine bewundernswerthe Treue in der öffentlichen Achtung stand. Der Herzog von Remours heirathete die Königin Victoria, und erhielt mit ihr den Thron von England unter dem Beifalle des katholischen Irlands. Die Prinzessin Clementine heirathete den Prinzen von Asturien, Präsumtiverben der spanischen Krone.

Damals trug sich eine sonderbare Geschichte zu, wodurch die Literatur beinahe eine ihrer größten Berühmtheiten, und die Universität ihre schönste Zierde verloren hätte. Der gelehrte Professor Guizot las den politischen Roman, den ich oben erwähnt habe, und konnte nicht umhin, ihn immer von Neuem zu lesen. Er war unwillig über die abscheuliche Rolle, die man ihn in diesem Werke der Phantasie hatte spielen lassen. Man hatte darin nämlich erdichtet, er sei in Folge parlamentarischer Intriguen mehrmals Minister geworden, er habe "unbarmherzige Befehle" ertheilt, und durch "Einschüchterung" regieren wollen. Er sollte meuchlerisch die Hand an die Freiheit der Presse gelegt haben, und man griff seine Ehre als guter Bürger dergestalt an, daß man behauptete, er sei ein gefälliges Spielzeug in den Händen der englischen Diplomatie gewesen, Herr Thiers habe ihn zum Gesandten ernannt, er habe ihn verrathen, um ihn zu stürzen, und seine Stelle einzunehmen. - Herr Guizot riß sich vor Verzweiflung die Haare aus, er phantasirte lange im Fieber, und rief unaufhörlich: "Nein, alles ist erlogen, ich bin kein tugendstrenger Intriguant, ich bin kein schlechter Franzose!"

Man mußte ihm reichlich zur Ader lassen, kalte Douchebäder anwenden, und ihn im Auge behalten. Der gelehrte Doctor Blanche meinte, man solle ihm seinen langen Professorsrock anlegen, ihm das viereckige Barett aufsetzen, und ihn so vor den Spiegel stellen. — Dieß hatte ganz guten Erfolg. Da der Kranke sah, daß er noch Professor sei, so vergaß er, daß man unterstellt habe, er sei Minister. Er kam wieder fast ganz zu Sinnen, und weinte vor Freuden, daß ihn, Gottlob, nur der Alp gedrückt habe. Auch verlangte er eine gewisse Genugthuung, und beschloß das Journal des Débats wegen Calumnie anzuklagen, weil es den politischen Roman aufgenommen hatte. Das Journal wurde einstimmig verurtheilt, und verlor seine Abonnenten, was ihm mehr Schmerz verursachte, als die Verurtheilung. Das ist das einzige Beispiel eines Preßprocesses in diesen eilf Jahren.

Und nun möge man diese beiden Geschichten vergleichen und wählen.

Nach der einen ist Frankreich groß, mächtig, reich und glücklich; nach der andern ist es klein, schwach, arm und unglücklich. Dort ist der Herzog

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Verschiedene: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jahrgang, Band 1. Herbig, Leipzig 1841, Seite 194. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Grenzboten_1-1841.pdf/203&oldid=- (Version vom 31.7.2018)