verschiedene: Die Grenzboten, 1. Jahrgang | |
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Heilung suchen. Das regelmäßige Dampfschiff welches in 12–14 Stunden die Ueberfahrt von London hierher macht, ist auch ein tüchtiger Karavanenführer. Nichtsdestoweniger dürfte die Ursache noch anderswo zu suchen sein, und zwar in der neuen Wendung, welche die medizinische Wissenschaft an und für sich genommen und in dem weit ausgedehnteren Gebrauche, den sie von den Seebädern überhaupt macht. Die neuere Medizin hat das große Verdienst, daß sie sich den Naturwissenschaften immer enger und enger anschließt. Nachdem sie, wie der verlorene Sohn, auf unzähligen Abwegen sich herumgejagt und ermüdet hat, ist sie endlich wieder zu ihrem väterlichen Hause – der Natur – zurückgekehrt, und reuig wirft sie sich ihr zu Füßen und horcht auf ihre einfachsten Lehren und Worte. Die Wassercuren, wie verschrieen und vornehm belächelt sie auch von solchen Aerzten werden, welche in jedem dem Laien zugänglichen Heilmittel, eine gefährliche Concurrenz der wissenschaftlichen Erfahrung erblicken, und aus Vorurtheil und Handwerkerängstlichkeit ihm den Krieg machen, diese Wassercuren sind nichtsdestoweniger ein bedeutender Fortschritt und eine glückliche Wendung in der Geschichte unserer Zeit. Jenem Prießnitz gebührt ein würdiger Platz in dem Pantheon der größten Aerzte. Die alten deutschen Chroniken erzählen, wie einst der Kaiser Max auf einer Jagd in Steyermark sich verstiegen habe, und wie er endlich von Felsen und Abgründen umgeben, den Fuß weder vor noch zurück zu setzen wagte, und vergebens nach einem Rückwege den Blick umherspähen ließ. Plötzlich spaltete sich der Felsen und aus dem Berge trat ein Mann in schlichtem Bauernkleide, der dem erstarrten Kaiser einen Fußweg zeigte, welcher dicht vor seinen Augen lag, und der ihn glücklich ins grüne, lachende Thal hinabführte. Wahrlich, die Medizin war auf nicht minder gefährliche Abwege gerathen, als der alte Kaiser Max; sie hatte auf ihrer Jagd nach großen Entdeckungen sich gar zu weit von dem geraden Wege verirrt – da plötzlich trat ein schlichter Bauer aus seinen Bergen hervor und zeigte ihr den Weg zur Natur, zur Einfachheit zurück. Fürwahr, dieser Prießnitz verdient kaiserlich belohnt zu werden, und die Männer der Wissenschaft haben wenig Recht, auf den Bauersmann, der in seinem Gräfenberg einen neuen Welttheil der Heilkunde entdeckt und angebaut hat, so stolz herab zu sehen. Denn dieser Bauer kann vor die Männer von Fach hintreten und fragen: Könnt Ihr läugnen, daß es mir, dem schlichten, ungelehrten Manne, gelungen ist, Krankheiten zu heben, die Ihr mit all’ Eurem Forschen und Wissen für unheilbar erachtet habt? Könnt Ihr es läugnen, daß der Gebrauch des kalten Wassers eine verjüngende Kraft ausübt? Daß die Lebensfunktionen dadurch gesteigert und aufgeregt werden? Daß die Haut sich ausdehnt, die Wangen sich röthen, der Körper elastischer sich aufrichtet? Könnt ihr es läugnen, daß die Kälte, indem sie die Haut erfaßt, alle Flüssigkeiten
verschiedene: Die Grenzboten, 1. Jahrgang. Herbig, Leipzig 1841, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Grenzboten_1-1841.pdf/21&oldid=- (Version vom 31.7.2018)