verschiedene: Die Grenzboten, 1. Jahrgang | |
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des Postwagens oder der Messagerie geschieht, ist eine moralisch wie physisch günstige Einleitung. Der Badegast hat den ganzen Weg von Brüssel hieher auf der Eisenbahn in 4 Stunden zurückgelegt. Gewöhnlich pflegt der Reisende einen Tag in Brüssel zuzubringen; jedenfalls übernachtet man dort, man mag kommen, woher man will. Gestärkt und erfrischt tritt man somit die Fahrt hieher, als eine reizende Lustparthie an. Ohne Aufregung, ohne Abmattung steigt man von dem bequemen Sitze und schreitet gleich und ohne Aufenthalt zu dem Gebrauche des Bades. Das Meer bietet hier einen eigenthümlichen Anblick. Während es bei anderen Hafenstädten, von lang sich hinstreckenden Küstenufern, meilenweit eingerahmt ist, springt es hier plötzlich in voller Breite von dem Lande ab. Der Damm von Ostende scheidet See und Land in scharfem Schnitt von einander. Kein grünes Plätzchen ringsherum, nichts als Himmel und Meer.
Zwischen der Eisenbahn und dem Damm liegt die Stadt; nachdem man in einem der freundlichen, mehr bequemen als eleganten, Gasthöfe die Kleider gewechselt hat, begibt sich der Reisende gewöhnlich sogleich nach der Digue (Damm), wo er die Bekanntschaft des Meeres und der ganzen Badegesellschaft zu gleicher Zeit macht. Die Digue erstreckt sich viele hundert Schritte längs der Küste hin; hier versammelt sich bei nur halbweg günstigem Wetter alles, was in Ostende bade- und lebenslustig ist. Regelmäßig pflegt der König und die Königin von Belgien hier einen längeren Sommeraufenthalt zu nehmen, und dieses bringt allerdings Bewegung und elegantes Leben unter die Promeneurs auf der Digue. Sonst zeichnet sich aber die Badegesellschaft von Ostende durch einen gewissen Zug aus, der namentlich der Mittelklasse sehr wohl thut; es ist dieß eine gewisse deutsche Bürgerlichkeit, ein freundlicher, keineswegs hochgestimmter Ton, in Mode, Gespräch und Umgangsweise. Den Grundstamm der Ostender Badegäste bilden die Deutschen, und hierdurch unterscheidet sich der Platz vorzüglich von seinem Rivale Boulogue sur mer. In Boulogne besteht bekanntlich die Hauptzahl der Fremden aus Engländern. Abgesehen von dem langweiligen Miasma, das Freund John überall verbreitet, wohin er kömmt, ist noch dazu der Schlag Engländer, die in Boulogne sich aufhalten, eben nicht von der edelsten Race der vereinigten drei Königreiche. Boulogne ist eine englische Colonie, wo alle zahlungsunfähigen Schuldner, alle zweideutigen Mütter und compromittirten Väter, alle etwas gar zu lustigen Brüder und allzu leichtsinnigen Schwestern Altenglands, eine neue Welt suchen. Hier badet sich mancher Kurgast, nicht um sich Gesundheit zu erwerben, sondern um seine Sünden abzuwaschen. Der unschuldige Deutsche oder sonstige Fremde, der in die Mitte dieser sonderbaren Colonie geräth, findet sich nichts weniger als behaglich.
verschiedene: Die Grenzboten, 1. Jahrgang. Herbig, Leipzig 1841, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Grenzboten_1-1841.pdf/23&oldid=- (Version vom 31.7.2018)