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Verschiedene: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jahrgang, Band 1

Musik huldigte, das heißt zu einer Zeit wo die Geringschätzung alles Wissens als das Merkmal eines unabhängigen Geistes galt, wie damals junge Componisten sich als Gegner aller Wissenschaft aufthaten, und die Namen Weber und Beethoven auf ihre Paniere schrieben; Herr Berlioz, dem es an einer guten musikalischen Bildung gebricht, wovon man sich durch eine bloße Ansicht seiner Werke überzeugen kann, giebt sich die Miene, alle diejenigen, welche die Musik ernstlich studieren, mit Mitleiden anzusehen; er scheint sogar die Ueberzeugungzu hegen, daß talentbegabte Männer nichts von außen her bedürfen. Wenn uns unser Gedächtniß nicht trügt, so hat Herr Berlioz, der sich an die Spitze der leichten Tonkünstler gestellt hat, obschon er so schwere Partituren schreibt, daß man sie meistentheils gar nicht begreift, sich ebenfalls, wie Weber und Beethoven, für unabhängig erklärt, indem er ohne Zweifel der Meinung war, daß diese beiden Meister, als Neuerer der Tonkunst, gleich ihm aller Regeln und derjenigen welche sie befolgen, gespottet haben. Was Webern betrifft, so war er hierin so wenig der Ansicht des Herrn Berlioz, daß er vielmehr ausdrücklich sagt, die Gesetze des Tonsatzes müssen dem Musiker so vertraut sein, wie dem Schriftsteller die Regeln der Grammatik, aus dem einfachen Grunde, weil es gar kein anderes Mittel gebe, um dem Zuhörer seine Gedanken auf klare und verständliche Weise vorzutragen. Demnach darf man sich also nicht wundern, wenn Herrn Berlioz’s Gedanken sich auf eine so wenig einleuchtende Weise darstellen.

Weber benutzte mit seltener Beharrlichleit den Unterricht Kalchers; schon fing der Sinn für dramatische Musik an, sich in ihm zu entwickeln. Unter den Augen seines Meisters componirte er eine Oper: Die Macht der Liebe und des Weines, eine Messe, verschiedene Sonaten und Variationen für das Clavier, ferner Trios für die Violine; auch setzte er um dieselbe Zeit, Lieder in Musik, welche er jedoch den Flammen überlieferte. Damals wandte er sich auch der Zeichenkunst wieder zu, welche er seit langer Zeit hatte liegen lassen. Die ersten Versuche der Steinschneidekunst waren eben bekannt geworden. Angelockt durch diese sinnreiche Erfindung, fühlte er in sich eine Neigung für diese Kunst erwachen, die er sehr geliebt hatte. Auch begreift man leicht, daß die ungeduldige Thätigkeit eines jungen Kopfes begierig nach allem Neuen greift. Weber kam auf den Gedanken, der Nebenbuhler des Entdeckers der Lithographie zu werden; er verschaffte sich die nothwendigen Werkzeuge, und setzte sich eifrig an die Arbeit. Seine großen Anlagen für die Zeichenkunst, welche ihn lange Zeit zwischen der Malerei und der Musik hatten schwanken lassen, erwachten wie mit einem Schlage, und er machte reißende Fortschritte in der neuen Beschäftigung. Und wirklich kam er zu glücklichem Erfolg, er fand ein leichteres

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Verschiedene: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jahrgang, Band 1. Herbig, Leipzig 1841, Seite 293. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Grenzboten_1-1841.pdf/302&oldid=- (Version vom 31.7.2018)