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Verschiedene: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jahrgang, Band 1

sich ausschließlich auf das Studium des Tonsatzes; er las die Werke der großen Meister und bestrebte sich, durch eine besonnene Analyse ihrer Compositionen, ihre Methode sich anzueignen. Während dieser zwei Jahre gab er nichts heraus, mit Ausnahme zweier Werke ohne Bedeutung, die nur für’s Clavier geschrieben waren.

Die Stelle eines Musikdirektors war in Breslau erledigt worden; sie wurde Webern angeboten, der, in Betracht daß seine Studien bei dem gelehrten Abt vollendet waren, kein Bedenken trug, sie anzunehmen. Ein neues Leben ging für ihn auf; zwar ein mühevolles, aber er verdankte den Geschäften seines Amtes doch den Erwerb vielfacher Kenntnisse, die ihm später von großem Nutzen waren. Im Verlauf kurzer Zeit hatte er ein Orchester und Chöre ganz neu einzurichten, Stücke für Instrumentalmusik zu schreiben, und bei den häufigen Proben, die ihm untergebenen Musiker zu leiten. Diese praktische Bildungsschule, welche einer großen Zahl von Tonsetzern mangelt, verlieh ihm eine tiefe Einsicht in die Wirkung des Orchesters, in deren Anwendung er in seinen letzten Arbeiten so weit gegangen ist. Die vielfachen Geschäfte erlaubten ihm nicht, auf neue Schöpfungen, durch die er seinen Ruhm hätte vermehren mögen, allen Fleiß zu verwenden; er hielt es für wichtiger, seine Stellung zu benutzen, um in der kürzesten Zeit eine Masse von Kenntnissen zu sammeln, die eben so nothwendig als, unter andern Umständen, schwer zu erlangen sind. Indeß brachte er zu dieser Zeit den größten Theil einer Oper, Rübezahl, zu Stande, die er später unter einem fremden Namen aufführen ließ. Weber behielt seinen Platz als Musikdirektor zu Breslau nicht lange. Der Krieg in Preußen, welcher die Existenz vieler Künstler gefährdete, nöthigte ihn im Jahr 1806 sich zurückzuziehen, und die Einladung des Herzogs Eugen von Würtemberg anzunehmm, als Direktor der Hauskapelle sich an seinen Hof in Schlesien zu begeben. In dieser neuen Stellung konnte Weber mit größerer Freiheit über seine Zeit verfügen, und er fand Muße, um zwei Symphonien, mehrere Cantaten und verschiedene Stücke für Instrumentalmusik zu componiren. Aber die politischen Ereignisse ließen ihn nicht im friedlichen Genusse dieser günstigen Lage. Abermals drang der Krieg in seine Nähe; das schöne Theater, die prächtige Kapelle des Fürsten wurden geschlossen, und Weber sah sich genöthigt, seine Entlassung zu nehmen. Man kann sich die Verlegenheit vorstellen, in der er sich befand, da er nicht wußte, wohin er sich wenden sollte, um Arbeit für sein Talent zu finden. Einen Augenblick hegte er den Gedanken, Deutschland zu durchwandern, und in jeder einigermaßen bedeutenden Stadt Concerte zu geben; aber der unglückliche Zustand des Vaterlandes konnte ihn wenig zu diesem Vorhaben ermuthigen. Es blieb ihm keine andere Wahl übrig, als einstweilen Musiklehrer zu

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Verschiedene: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jahrgang, Band 1. Herbig, Leipzig 1841, Seite 296. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Grenzboten_1-1841.pdf/305&oldid=- (Version vom 9.12.2016)