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Verschiedene: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jahrgang, Band 1

In der That ist überaus wenig Aehnlichkeit zwischen beiden Partituren zu bemerken. Die Musik des Oberon trägt nicht wie die des Freischützen den Stempel eines bisweilen wilden und großartigen Charakters, sie ist vielmehr in einem sanften, melancholischen Styl verfaßt, und ist reich an neuen Wirkungen von einer delikaten und gefälligen Gattung. Ueber mehre Stücke darin ist eine Färbung von außerordentlicher Originalität verbreitet, allein in einigen anderen Abtheilungen der Oper ist Schwäche und Monotonie zu verspüren. Betrachtet man das Ganze der Composition, so muß man sie unter der des Freischützen erkennen; demungeachtet sind die schönen Stellen, welche sich in großer Menge darin vorfinden, von einer neuen und so gefälligen Gattung, daß man nicht in Abrede stellen kann, die Arbeit sey ganz des Genies Webers würdig. Der einzige Fehler, den man ihm mit Grund vorwerfen kann, ist der, daß man keine große Entwickelung irgend einer Form darin antrifft. Die körperlichen Leiden des Künstlers haben ihre Spuren in seiner Arbeit hinterlassen. Vierundzwanzigmal ward Oberon unter Weber’s unmittelbarer Leitung aufgeführt, er hatte aber keine Ursache, mit seinen Zuhörern in dem Maaße zufrieden zu sein, wie er und seine Freunde es sich vorgestellt hatten.

Die zwei Theater Coventgarden und Drurylane sind fast immer in Opposition gegen einander; wenn eins von beiden etwas unternimmt, um das Publikum an sich zu locken, gleich wird dies vom Andern nachgeahmt. Der Direktor des letztbenannten Theaters trug unverweilt dem Componisten Bishop die Anfertigung einer neuen großen Oper auf, sobald er nur vernommen hatte, daß Weber seine Partitur des Oberon aus Deutschland mit sich bringen werde. Bishop, der als Musiker einiges Verdienst hatte, aber nie im Stande war, etwas zu erfinden, ward zum Nebenbuhler Weber’s erklärt, ungeachtet des himmelweiten Abstandes, der ihn von dem großen Künstler trennte. Freilich gab ihm seine Eigenschaft als geborner Engländer einen Vorzug, der dem Verdienste seines Concurrenten die Stange zu halten vermochte. Acht Tage nach der ersten Vorstellung des Oberon ward Bishop’s Oper: Aladin auf der Bühne des Drurylane gegeben; das Stück hatte einen unermeßlichen Zulauf und erweckte das lebendigste Interesse. Die Freunde des englischen Musikers machten ihre Sache so gut, daß dieser sich einbilden konnte, er habe den erlauchten Künstler, dessen würdiger Nebenbuhler er zu sein glaubte, aus dem Sattel gehoben.

Weber dachte nunmehr nur noch daran, sich seinen fernern Aufenthalt in London so einträglich als möglich zu machen, ohne jedoch die Erwartungen weiter zu nähren, welche er mit sich dahin gebracht hatte. Er beschäftigte sich mit der Organisation eines Concertes zu seinem Benefiz, welches in der That Statt fand, und in welchem mehrere neue von ihm

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Verschiedene: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jahrgang, Band 1. Herbig, Leipzig 1841, Seite 308. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Grenzboten_1-1841.pdf/317&oldid=- (Version vom 31.7.2018)