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verschiedene: Die Grenzboten, 1. Jahrgang

Tagebuch.


Paris im Oktober.     

Die Franzosen sind ein Weinvolk, und es ist oft die Bemerkung gemacht worden, daß ihr Charakter viel Aehnlichkeit mit ihren Trauben hat. Im September, wo dem Weinstock die volle Gluth in den Kopf steigt, da steigt auch den Anwohnern der Seine das Blut zu Kopfe, und man kann die Bemerkung machen, daß der September seit mehren Jahren ein Erndtemonat der Unruhen, und der Wonnemonat der Emeuten gewesen ist. War der September des vorigen Jahres ruhiger, als der diesjährige? Man erinnere sich, daß die Arbeiter sich zusammenrotteten, um eine Erhöhung ihres Lohns zu fordern, ihre Herrn verließen, die Straßen durchstreiften, und von der bewaffneten Macht auseinander getrieben werden mußten. Und doch regierte damals Herr Thiers, der große Volksmann, der Schnellsegler und Tausendsappermenter! Warum soll Herr Guizot nicht auch das Recht haben, daß man unter seinem Regiment die Fenster einschlägt, das Straßenpflaster aufreißt und die Marseillaise singt? – Der ganze Spektakel, den das Journalecho noch verzehnfacht, ist bei weitem mehr lärmhafter, als ernster Natur. Herbstfeuerwerk, bei dem man in die Luft schießt, ohne treffen zu wollen. Es ist viel unnützes Pulver in diesem Monate verschossen worden; die Götter haben das jugendliche Haupt des Herzogs von Aumale beschützt, und die Hüfte Heinrich Heine’s ist nur leicht von der Kugel gestreift worden. Der junge Prinz wird als der talentvollste unter den Söhnen Louis Philipps bezeichnet. Im Charakter gleicht er seinem ältesten Bruder; er soll die deutsche Sprache ziemlich gut verstehen, wie dieß bei allen seinen Geschwistern mehr oder weniger der Fall ist. Unter allen Königen, die auf dem französischen Throne saßen, ist Louis Philipp der erste, der Deutsch versteht, und die Kenntniß desselben seinen Kindern zur Aufgabe macht. Vielleicht liegt hierin ein Wink für die Zukunft, ein Fingerzeig für den Beruf der Dynastie, der deutschen Nation gegenüber.

Mehrere Drucker, Succursalisten benannt, hatten seit lange ihre Pressen und Werkzeuge zu den patentirten und beeidigten Druckern gebracht, bei denen sie ihr Geschäft ungestört betrieben. Die Behörde hat Untersuchungen gegen dieses Verfahren eingeleitet, das sowohl dem Buchstaben, als dem Geiste des Gesetzes zuwiderläuft. In Folge eines Spruches, vom Monat Mai, sind die Succursalisten ein jeder zu 6 Monate Gefängniß, und einer Geldstrafe von 10,000 Franken verurtheilt; die patentirten Drucker, die ihren Namen dazu hergegeben haben, haben jeder 500 Franken Strafe zu erlegen. Das Journal des Debats hat jedoch unlängst den Spruch des königlichen Gerichtshofes mitgetheilt, nach welchem jenes Urtheil für ungültig erklärt, und die Wiederauslieferung der Lettern, Pressen und der übrigen, mit Beschlag belegten Werkzeuge, befohlen wird.

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verschiedene: Die Grenzboten, 1. Jahrgang. Herbig, Leipzig 1841, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Grenzboten_1-1841.pdf/39&oldid=- (Version vom 6.5.2018)