Seite:Die Grenzboten 1-1841.pdf/41

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
verschiedene: Die Grenzboten, 1. Jahrgang

Nationalcomponisten: Die Gesellschaft Gretry, sich benennt. Diese Gesellschaft hat nun eine Einladung an alle übrigen ergehen lassen, zu einem Wettspiel in der Hauptstadt sich einzufinden. So zogen denn am bestimmten Tage über vierzig Dilettanten-Vereine, aus allen Theilen des Landes, durch die Thore von Brüssel. Jede dieser Gesellschaften, die gewöhnlich aus den honorigsten Bürgern besteht, hatte ihre Fahne an der Spitze, und die meisten waren in ein besonderes Costüm gekleidet. Auch zwei deutsche Musikvereine: die Concordia-Gesellschaft, und die Liedertafel in Aachen, hatten sich eingestellt. Nachdem die Instrumentalmusiken durch zwei Tage, in einem eigens dazu erbauten Kiosk, öffentlich concurirt hatten, begann am Sonntag der Wettstreit der Singgesellschaften, in den ungeheuren Räumen der ehemaligen Augustinerkirche. Der Menschenandrang war zahllos, der König und die Königin in ihrer Mitte. Die Chöre der Flamänder waren, ihrer schönen Stimmen, und ihrer trefflichen Harmonie willen, wahrhaft bewundernswerth. Namentlich die Brügger, denen auch der erste Preis gewissermaaßen sicher war. Da begann die Aachner Liedertafel Arndts Lied: „Was ist des Deutschen Vaterland“ anzustimmen. Eine Todtenstille verbreitete sich plötzlich im Saale, um einem einstimmigen Jauchzen zu weichen, das sich durch den ganzen Saal verbreitete, als der Gesang zu Ende war. Wir haben keine Worte, um die allgemeine Begeisterung zu schildern, welche die deutschen Sänger erregten, um so mehr, als diejenigen, die nicht anwesend waren, uns leicht einer landsmännischen Partheilichkeit zeihen könnten. Genug, der erste Preis wurde unter einstimmigem Jubel der Aachner Liedertafel zuerkannt. Wir werden auf dieses merkwürdige Fest zurückkommen.

Den Freunden der wohlfeilen Bücher, die ihren Heißhunger nach französischer Literatur durch die Brüsseler Nachdrucke für ein billiges Geld bisher befriedigt haben, drohte eine große Gefahr. Wenn die in Frage stehende Zollvereinigung zwischen Belgien und Frankreich wirklich sich realisirt hätte, wäre das ganze belgische Nachdruckergeschäft mit einem Schlage aufgehoben. Die Brüsseler Nachdrucke haben bisher mehre Millionen Franken jährlich in Circulation gebracht und von dieser Seite ist die Frage von Wichtigkeit für das Land. Nicht nur die Buchhändler, sondern auch die großen Druckereien, Papierfabrikationen, Schriftgießereien, lithographische Anstalten und Buchbindereien mit vielen Tausend Arbeitern sind bei dieser Catastrophe betheiligt. Es versteht sich von selbst, daß die Betheiligten nicht die Hände müßig in den Schooß legten und keine Mühe scheuten, um die Gefahr abzuwenden. In den letzten Tagen fanden mehre große Zusammenkünfte statt. Buchhändler, Drucker und Papierfabrikanten vereinigten sich und organisirten eine Ausschußcommission, die aus den bekannten beiden Buchhändlern Haumann und Cans und aus dem reichen Papierfabrikanten Henessy besteht. Ein Memoire wurde dem Minister des Innern übergeben, um die großen Nachtheile und die plötzliche Brodlosigkeit, die für Viele durch die Aufhebung dieser Art Industrie entstehen würde, zu schildern. Herr Haumann ist dieser Tage, mit Aufträgen und Vollmachten versehen, nach Paris gereist, um an Ort und Stelle zu wirken. Man sagt die französische Regierung war geneigt die Büchervorräthe, die sich noch zur Zeit des Vertragsabschlusses vorfinden würden, aufzukaufen. Dieses wäre allerdings das beste Mittel, den fernern Nachdruck zu verhindern, denn wir erinnern uns, daß vor einigen Jahren, als der Nachdruck in Oesterreich aufgehoben wurde, der wiener Nachdrucker Lechner, der ein großes Lager nachgedruckter medicinischer Werke besaß, noch lange Zeit das Geschäft des Nachdruckens weiter trieb und nur die Vorsicht brauchte, die Jahreszahl auf dem Titel vor dem Datum des Nachdruckverbots zu datiren. Von dieser Seite, wie gesagt, hätte die französische Regierung weislich gehandelt. Aber welche ungeheure Summen

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Grenzboten, 1. Jahrgang. Herbig, Leipzig 1841, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Grenzboten_1-1841.pdf/41&oldid=- (Version vom 31.7.2018)