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Verschiedene: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jahrgang, Band 1

gilt noch, die letzte Hand daran zu legen: bald wird sie aufhören, bloß zum Geiste zu sprechen, es ist nun Zeit, daß sie auch zu den Augen rede.

Man muß nämlich wissen, daß die Stationsplätze in Belgien nicht jenen denkmälergleichen Charakter tragen, welcher sie auf den Eisenbahnen anderer Länder auszeichnet. Die hölzernen Baracken und kleinen Backsteinhäuser verlangen durch Bauten von edlerer und soliderer Art ersetzt zu werden. Lasset uns, als Kinder eines industriellen Zeitalters, große Gebäude errichten, auf daß man eines Tages unserer gedenke! Unsere Eisenbahnen, es sind die Cathedralen, die gothischen Kirchen unserer Zeit! Wahrlich, es müssen die, welche nach uns kommen, wenn sie unsere Eisenwerke ansehen, jenes niederschlagende Bedauern, und jenen Unmuth empfinden, der uns ergreift, und uns beim Anblick der alten, bis in die Wolken hinein ausgemeißelten, Dome zum Ausruf zwingt: Ach, unsere Väter waren größer, als wir! Eben, weil wir auf die Wunderdinge, welche die Industrie, dieser neue Glauben, diese Riesenfee, in unsrer Zeit vollbringt, stolz sind, wollen wir nicht zugeben, daß sie auf Sand baue, gleich jenen Werken der Eitelkeit und des Staubes, die ihre nichtigen Urheber nicht überleben.

Die elsässische und die deutschen Eisenbahnen geben gute Muster für’s Studium ab. Ich komme so eben von der zurück, welche von Frankfurt nach Wiesbaden führt, die Taunus-Eisenbahn genannt. Sie ist kaum zehn Stunden lang, aber trefflich gebaut. Wenn sie von den belgischen Bahnen die so bequemen, als vortheilhaft eingerichteten Wagen entlehnt hat, so kann sie ihnen dagegen ihre eben so eleganten, als soliden Stationshäuser zur Nachahmung bieten, desgleichen ihre geräumigen Anhaltsschoppen bei den Hauptstationen, wo, gerade wie an den Aussteigeplätzen der Versailler Bahn, die Wagenzüge unter verdecktem Himmel anlangen. In dieser Beziehung läßt vielleicht die neue Eisenbahn von Cöln nach Aachen etwas zu wünschen übrig. Es scheint ihr noch, von der Nachbarschaft Belgiens her, ein Mangel anzuhängen; dazu kommt noch die sehr natürliche Ungeduld, die die Rheinprovinzen empfinden mochten, diese neue Art Lebensader in ihrer ganzen Länge strömen zu sehen, welche ihren Rhein bis zu seinen zwei neuen Ausmündungen, zu Ostende und Antwerpen, ableitet. Wer hätte das vor sechs Jahren gesagt, als die guten Weiber aus der Umgegend von Brüssel sich vor Staunen auf die Knie warfen, und alle Heiligen des Paradieses anriefen, da sie den „Elephant“ vorbeieilen sahen, der zum erstenmal den Weg von Brüssel nach Mecheln zurücklegte, den Elephanten, jetzt ein gealterter, kurzathmiger und keuchender Invalid, damals ein junges, muthiges, und stolzes Zugpferd, das sich eines Tages, aus lauter Eile, in Antwerpen anzukommen, in den Löwener Kanal stürzte; wer hätte damals gesagt, daß diese wunderbare Verbindung

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Verschiedene: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jahrgang, Band 1. Herbig, Leipzig 1841, Seite 70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Grenzboten_1-1841.pdf/79&oldid=- (Version vom 21.8.2017)