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Verschiedene: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jahrgang, Band 1

und könnte uns, ehe wir uns dessen verschen, sammt unserm Hebel, im dumpfen und thatlosen Schweigen der Ewigkeit zunicklassen. — Wir warfen noch einen letzten Blick auf Cöln und den Drachenfels, den man ganz am Horizonte erkennen kann, als wir uns schon unter den ersten Hügel, der diese weite Ebene begrenzt, versetzt sahen: wir waren beim Königsdorfer Tunnel angekommen. Trotz der Schnelligkeit der Fahrt brauchte der Wagenzug vier und eine halbe Minute, um ihn zu durchlaufen. Lauter Zuruf erscholl unter dem finstern Gewölbe, das in der Beleuchtung der Fackeln wie ein Traum davon flog. Diese Tunnel haben für den Reisenden das Anziehende, daß sie jeden Augenblick die Landschaft verändern. Wie der Zauberer mit seinem Stäbe den Schauplatz in ein Feenland verwandelt, so scheinen sie uns zu sagen: Mach die Augen zu, jetzt sieh! — Von hier an wird die Gegend anmuthiger und mannigfaltiger; aber erst jenseits Düren wird sie wahrhaft reizend. Schöne Wälder, mit Gebüsch umwachsene Wiesen, seitwärts strebende Hügel, um die sich der Weg dreht, als wolle er uns ihre Umrisse besser sehen lassen; schöne, wiewohl nicht so dicht, als in Belgien, gebaute Dorfschaften, aus denen wir von den Einwohnern mit Hurrahgeschrei begrüßt wurden; und, da der Boden hier sehr ungleich ist, abermals Tunnel, in die man sich stürzt; Brücken, über die man setzt, oder die sich ausspreiten, um uns durchzulassen; dann bei Stollberg Fabriken mit hohen, spitzigen Schornsteinen, die sich unter den Bäumen verlieren, wahrhafte Land-Fabriken; weiter endlich, eine große Waldung mit zahlreichen lichten Stellen, wie eine grüne Tapete, würdig, den Park eines großen Herren zu zieren: dieß ist das Panorama des Landes, von der Eisenbahn aus gesehen, und hauptsächlich, je mehr man sich Aachen nähert. Alle Kunstarbeiten, die wir hier angeführt haben, sind sehr ausgezeichnet. Die Eingänge zu den drei Tunneln, von einer zierlichen Bauart, an die wir nicht gewöhnt sind, stellen die Mauern fester Burgen vor, wie man sie an den Ufern des Rheines findet. Wenn es statthaft wäre, würden wir viel¬ leicht tadeln, daß man bei einer wesentlich modernen Gattung von Werken, die eben so gut, als die Wasserleitungen und Kunststraßen der Römer, Epoche machen werden, den historischen Baustil angenommen hat. Wir wiederholen es, man sollte niemals die Haltpuncte der Geschichte verrücken.

Gehören wir unserer Zeit an, wie unsere Voreltern Kinder der ihrigen waren, und lassen wir den Maurern die Freiheit, gothisch zum Vergnügen der Liebhaber zu bauen! Die Kunst ist eine Blume, welche nur unter ihrem Himmel, zu ihrer Zeit, und in ihrem Erdreiche gedeiht. Die Zinnen auf den Mauern der Burgen hatten einen Sinn, den sie am Eingänge der Tunnel nicht mehr haben können. Diese Art Arbeiten erheischen nothwendig einen nackten und ernsten Styl. Durchstecht den Berg, fahrt unter dem

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jahrgang, Band 1. Herbig, Leipzig 1841, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Grenzboten_1-1841.pdf/84&oldid=- (Version vom 31.7.2018)