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Verschiedene: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jahrgang, Band 1

Es rauschen mächtig seine Schwingen und wie ein Blitz zuckt er herab
Aus seine Feindin, die verhaßte, hart an des alten Negers Grab.
Da tönen laut der Schlange Triller, hoch auf ihr schlanker Leib sich bäumt,
Und ihres Zornes schwarzer Geifer wild von den gift'gen Lippen schäumt.
Bald zieht sie sich zum Knäul zusammen, bald windet sie sich schnell im Ring
Und sucht den Adler schlau zu fassen in ihrem künstlichen Geschling.
Doch vielbesonnen, wohlerfahren in solchen Kämpfen, hält den Schild
Des Flügels kalt der Aar entgegen, daß hoch vor Gift die Schlange schwillt.
Sie will ihn zornesschnell umfassen mit voller Rache heißer Gier,
Es stürtzt sich unbedacht entgegen dem stärkeren das tolle Thier.
Da hallt der sturmesflinke Adler mit wohlgeschärfter Fänge Kraft
Schnell nach der Schlange, daß im Haupte ihr eine tiefe Wunde klafft.
Schon hebt er sich im Siegesstolze mit seiner Beute in die Luft,
Da streckt ein sich’rer Schuß ihn nieder vom Stand der hohen Felsenkluft. —
„Hätt’ ich die Schlange erst erdrosselt, gern Adler theilt’ ich dein Geschick!“
So denkt der Neger, und den Felsen trifft sein verworr’ner, stierer Blick.

6.

Rodrigo war’s, des Pflanzers Eidam, verfolgend auf der frühen Birsch
Die in den Sand gedrückte Färthe von einem starken Edelhirsch.
Ein ächter Waidmann ist ergeben dem Wein und seines Mädchens Kuß,
Doch gilt ihm keine Freude höher als solch gelung’ner Büchsenschuß.
„Sag’ an, du Hund von einem Schwarzen, sahst du wohl je ein edler Ziel,
Als den gewaltig starten Adler, der eben dir zu Füßen fiel?
„Du hättest wohl für dein Entlaufen verdienet manchen Peitschenhieb,
Ich will die Strafe dir erlassen, blos meinem guten Schuß zu lieb.
Auf, nimm den Adler und die Schlange und folge mir in Bälde nach;
Die Schlange berg’ ich dann zum Scherze in meines Mädchens Schlafgemach.
Wie wird das arme Kind erschrecken! zwar lieb’ ich heiß die schöne Braut,
Doch möcht’ ich gerne sie entwöhnen, daß ihr zuviel vor Schlangen graut.“
Der Jäger sprach’s und eilte rüstig davon durch Felsenthal und Wald,
Die hohen Cedern kaum verbargen die edle, kräftige Gestalt.

7.

„Triumph!“ rief, als Rodrigo ferne, der Neger, sinkend auf die Knie;
„Ha, großer Fetisch, deine Zeichen sie trügen einen Schwarzen nie!
Du selber hilfst das Feuer schüren, hilfst schmieden einen guten Plan,
Es soll mich eine Schlange leiten aus meiner Rache schneller Bahn!
Ich will den Schlangenkönig führen auf seines todten Weibchens Spur,
Ein Fest soll meine Rache feiern, wie noch kein Pflanzer sie erfuhr.“ —
Atar Gull löst mit raschem Schnitte vom Rumpf der Schlange Kopf in Wuth,
Daß aus der frischen Wunde rieselt das kalte, schwarzgefärbte Blut.
Dann faßt die starke Hand am Ende den farbenbunten, dünnen Schweif,
Und zeichnet, rasch die Schlange ziehend, im Sand mit Blute einen Streif.
Am nahen Richtplatz führt vorüber den Neger der geschwinde Lauf,
Da blicket er mit heis’rem Lachen am wohlbekannten Galgen auf;
Er schwinget dreimal hoch die Schlange mit lautem Pfeifen durch die Luft:
„Geist meines Vaters, dir wird Rache, schlaf’ ruhig nur in dunkler Gruft!“

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jahrgang, Band 1. Herbig, Leipzig 1841, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Grenzboten_1-1841.pdf/89&oldid=- (Version vom 31.7.2018)