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Welche Bedeutung namentlich der Florteiler für die Spinnerei hat, darüber urteilt der bekannte Sachverständige Dr. Grothe in seiner 1876 erschienenen „Streichgarn-Spinnerei“ Seite 356 wörtlich folgendermaßen:

„Der Florteiler ist eine der bedeutendsten Erfindungen der Neuzeit auf dem Spinnereigebiete, von absoluter Neuheit und Originalität!
„Jeder Spinner müßte den Hut abziehen vor dem geistreichen Manne, der diese Kombination ersonnen …“

Daß 7 Jahre später Celestin Martin in Verviers sich diese eigentste Erfindung Geßner’s, den ''Florteiler patentieren ließ, und daß diese „Patente“ in England und Frankreich zu hohen Preisen verkauft wurden, schmälert Geßner’s Ruhm nicht, es ist nur ein weiterer Beweis für den großen und praktischen Wert seiner Erfindung.

Leider blieben Ernst Geßner neben diesen hohen Erfolgen auf geistigem Gebiete schwere Schicksalsschläge und materielle Verluste nicht erspart, welche ihn verhinderten, den Nutzen aus den fraglichen Erfindungen zu ziehen, der ihm unter normalen Verhältnissen nicht entgangen sein würde.

Die im Jahre 1858 eintretende Hochflut des Muldenflusses, die noch heute nach mehr als 30 Jahren im Erzgebirge unvergessen ist, verwüstete auch das Geßner’sche Fabrikgrundstück in Aue, zerstörte das dazu gehörige Muldenwehr und verursachte neben großen pekuniären Verlusten auch langen Stillstand des Fabrikbetriebes.

Die ferner gegen Ende der 50er Jahre auftretende allgemeine Geschäfts-Krisis brachte ein Sinken des Preises aller Materialien und Werte, und das deutsche Geschäft lag vollständig darnieder.

Um nun seine Erfindungen einzuführen und seine Arbeiter zu beschäftigen, ließ Geßner Maschinen nach Rußland fabrizieren, woselbst er in gutem Renommee stand und daher sichere Aussicht hatte, dieselben dort verkaufen zu können. Die von Amerika kommende und sich immer weiter verbreitende Krisis trat dann aber auch in Rußland auf und machte die Maschinen daselbst ebenfalls unverkäuflich.

Eine nach England und Frankreich unternommene persönliche Reise behufs Verkaufs seiner Patente hatte nicht den gewünschten Erfolg, und inzwischen waren ihm auch daheim durch Vertrauensmißbrauch seitens seines Bevollmächtigten arge Verlegenheiten bereitet, die erst nach mancherlei Anstrengungen beseitigt werden konnten.

Wie Ernst Geßner fernerweit thätig war und auf allen Gebieten seiner Branche bahnbrechend und reformatorisch vorging, davon zeugen seine weiteren Erfindungen, deren charakteristische Bestandteile für die vielen Nachbildungen derselben typisch geworden sind.

Wir nennen hier weiter den Legtisch, den Bandlegeapparat, den Speiseapparat für die Reißkrempel, die Erzeugung plattierter Garne, die Walzenpresse mit 2 und mehr Mulden, die neuere Rauhmaschine, seine verbesserten Walken, den Spannrahmen und andere Apparate und Verbesserungen an bestehenden Maschinen, die, wenn nötig, in einer unabhängig von der Maschinenfabrik eingerichteten Versuchsstation praktisch erprobt werden.

An statistischen Angaben ist anzuführen, daß 3 Wasserräder, 1 Turbine und 4 Dampfmaschinen den Betrieb von ca. 230 thätigen Hilfsmaschinen, von denen die Mehrzahl für spezielle Zwecke auf das Sinnreichste konstruiert ist, besorgen. Das Etablissement beschäftigt zur Zeit ca. 300 Arbeiter und 20 Beamte, unter denen 6 Monteure, wobei zu erwähnen ist, daß der Bau der in Amerika zum Verkauf kommenden Maschinen der Frachtersparnis etc. halber auf amerikanischem Boden erfolgt.

Welch’ eine Unsumme geistiger Arbeit sich in den Erfindungen verkörpert, welche Mühen und Freuden, aber auch welche Enttäuschungen dabei zu verzeichnen sind, darüber wollen wir kein Wort weiter verlieren. Wir wollen nur noch erwähnen, daß Ernst Geßner, der im 62sten Lebensjahre steht, auch heute noch mit ungeschwächter Kraft an weiteren Erfindungen arbeitet, getreu seinen Prinzipien:

„durch einfachere, vollkommenere, verbesserte Maschinen die Qualität des Fabrikates zu verbessern, die Produktion zu erhöhen und die Herstellungskosten zu verringern;“

und diese Grundsätze werden auch ferner dem Etablissement einen der ersten Plätze unter den Maschinenfabriken für Textil-Industrie sichern!

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Erster Theil. Eckert & Pflug, Kunstverlag, Leipzig 1892, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gro%C3%9F-Industrie_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen_in_Wort_und_Bild_Teil_1.pdf/138&oldid=- (Version vom 23.2.2020)