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Höhe gelangt. Die sächsische Kammgarnspinnereien mit ihren mustergiltigen Einrichtungen erzeugen Gespinnste von großer Feinheit, die außerordentlich stark begehrt sind; ähnlich ist es auch mit der Herstellung feiner Gespinnste und Webwaren aus Baumwolle. – Die Jutespinnereien und Webereien zu Meißen und Ostritz sind gut beschäftigt. Eine der jüngsten Industrien ist die neuerdings in der Lausitz schwunghaft betriebene Steinschleiferei, wie sie in den Neusalzaer, Taubenheimer, Oppacher, Löbauer und andern Syenit- und Granitwerken geübt wird. Bekannt ist auch schon seit Jahrhunderten die Jonsdorfer Mühlstein-Industrie.

Die Mac Kinley-Bill versetzte vor einigen Jahren gerade der sächsischen Industrie einen heftigen Schlag, vorzugsweise der Chemnitzer Gegend und der Lausitz. Viele Fabrikanten, bisher für den Export nach Nord-Amerika fast ausschließlich beschäftigt, waren genötigt, die betreffenden Artikel aufzugeben und sich auf neue zu werfen, wodurch natürlicherweise manche Branche der Textilindustrie vorübergehend geschädigt wurde. Trotzdem gelang es mancher sächsischen Firma, allerdings mit großer Anstrengung, durch Beschaffung neuer, leistungsfähiger Maschinen mit Erfolg, wenn auch mit verschwindendem Nutzen, ja oft ohne solchen, zu konkurrieren. In den letzten Jahren übte auch die durch südamerikanische Wirren hervorgerufene Unsicherheit einen lähmenden Einfluß auf die sächsische Industrie und nicht minder eine Reihe schlechter Ernten. Bei dem Erblühen der Groß-Industrie entstanden auch eine Reihe von Arbeiterschutzgesetzen mit der Wirkung, daß dem alten oder invaliden Arbeiter hinreichende Rente gesichert ist, um ihn vor bitterer Not zu schützen. Dies zusammen mit vorhandenen Kapitalien vieler Firmen zu gleichem Zweck sichert Manchem nun einen friedlichen Lebensabend. Die Lohnverhältnisse aber haben sich in den letzten 12 Jahren beinahe um 100 Prozent verbessert, während die Bevölkerung nur eine Zunahme von etwa 20 Prozent zu verzeichnen hat. Das Jahreseinkommen aus Lohn und Gehalt betrug im Jahre 1879 – 364 651 115 Mark, im Jahre 1891 hingegen 701 084 587 Mark. Werfen wir nun noch einen Blick auf die Dampfkraft, welche im Dienste der sächsischen Industrie steht, so finden wir im Jahre 1891 8078 stehende Dampfkessel mit 358 490 Quadratmeter Heizfläche und 8073 dergl. Dampfmaschinen mit 160 772 durchschnittlich ausgeübten Pferdestärken. Die Baulänge der sächsischen Staatsbahnen einschließlich erpachteter Strecken beträgt 2 594,35 Kilometer mit einem Bau- und Anlagekapital von 723 175 078 Mark.

Es gibt heute kaum einen nennenswerten Industrieort, der nicht in das Netz unserer Eisenbahnen einbezogen wäre. Auch sind viele Industrieorte an das Fernsprechnetz angeschlossen.

Wie die sächsische Großindustrie gegenwärtig, am Ende des neunzehnten Jahrhunderts, aussieht, soll das vorliegende Werk zeigen. Ein Vergleich desselben mit einem ähnlichen von Oeser in Neusalza in den 60er Jahren herausgegebenen Album zeigt den riesenhaften Fortschritt der sächsischen Industrie in anschaulichster Weise, mittels Wort und Bild. Damals kannte man noch keinen Lichtdruck und die Qualität des Papiers ließ viel zu wünschen übrig. Das Kunstgewerbe stand bei weitem nicht auf der hohen Stufe, wie gegenwärtig, die Photographie wandelte noch in den Kinderschuhen einher. –

Von jeher brachten die Mitglieder unseres erhabenen Herrscherhauses der Industrie große Aufmerksamkeit entgegen und förderten dieselbe durch Gewährung von Prämien, sowie durch Verleihung von Auszeichnungen, welche den Geist immer zu neuen Erfindungen anspornten und dadurch der sächsischen Industrie mit zu Glanz und Erfolgen verhalfen. Alljährlich werden eine Anzahl industrieller Etablissements der Ehre eines Allerhöchsten Besuches gewürdigt.

Eine Reihe von der königl. Regierung unterstützte Fachschulen bildet die Industrielehrlinge heran.

Der Export-Verein für das Königreich Sachsen vermittelt seit Jahren mit Erfolg Aufträge für unsere Industrie und sendet alljährlich Weltreisende hinaus, um neue Verbindungen anzuknüpfen.

Die sächsische Industrie wird im nächsten Jahre auf der Weltausstellung zu Chicago wiederum Gelegenheit haben, ihre Kräfte zu messen, und schon heute steht fest, daß verschiedene Industriegruppen dort in geradezu großartiger Weise vertreten sein werden.

Da gewiß anzunehmen ist, daß nach Chicago die Einkäufer aller Weltteile kommen werden, um neue Artikel zu sehen und zu kaufen, so wird auch Sachsen hier, wie überall, den Weltmarkt siegreich behaupten, und die Aussteller werden ohne Zweifel zufriedenstellende Resultate erzielen, neue Absatzgebiete erobern und dadurch neue lohnende Arbeit ins Land bringen.

Das walte Gott!

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Erster Theil. Eckert & Pflug, Kunstverlag, Leipzig 1892, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gro%C3%9F-Industrie_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen_in_Wort_und_Bild_Teil_1.pdf/18&oldid=- (Version vom 29.12.2019)