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Maschinenfabrik
und Eisengießerei von Erdmann Kircheis
Aue-Klösterlein i. Erzgeb.

Der Begründer dieses Etablissements, Erdmann Kircheis, wurde am 24. April 1830 als der Sohn eines Hüttenarbeiters, späteren Hüttensteigers, des Blaufarbenwerkes Niederpfannenstiel b. Aue, in dieser Stadt geboren. Nachdem er auf der Dorfschule zu Zelle b. Aue, wohin seine Eltern verzogen waren, bis zur Beendigung seines 14. Lebensjahres die einfache aber gründliche Schulbildung genossen, kam er zu einem Mechaniker und Fabrikbesitzer seiner Vaterstadt, der wegen seiner Intelligenz in großem Ansehen und wegen seiner akkuraten Arbeiten in gutem Rufe stand, in die Lehre. Sechs Jahre währte diese strenge Vorschule seiner künftigen Laufbahn, dafür bildete sie ihn aber auch zu einem tüchtigen und praktischen Arbeiter seines Faches aus. Als solcher wanderte er nach vollendeter Lehrzeit wohlgemut und hoffnungsvollen Herzens nach Chemnitz, Sachsens größter Maschinenfabrikstadt, wo er auch in der damals schon berühmten Maschinenfabrik von Richard Hartmann Arbeit als Eisendreher fand. Sehr bald überzeugte man sich dort von seiner vielseitigen und praktischen Geschicklichkeit und betraute ihn deshalb mit besseren und später auch selbständigen Arbeiten. Hierdurch gewann der junge Kircheis das zur Übernahme einer Abteilungsmeisterstelle nötige Selbstvertrauen und trat, kaum 21 Jahre alt, eine solche in einer mittleren Maschinenfabrik Dessau’s an, wo er wegen seiner besonderen Befähigung auch zu schwierigen Montagen, Geschäftsreisen etc. benutzt wurde und in wenigen Jahren bis zum Leiter der Fabrik avancierte. Nach neunjähriger Thätigkeit verließ er diese Stelle, begleitet von den besten Wünschen seiner Chefs, um eine ihm angebotene Direktorstelle in seinem Heimatsstädtchen zu übernehmen.

Dem Drange zur Selbstständigkeit folgend, verließ er nach zweijähriger Thätigkeit diese Stellung und etablierte sich. Wohl verfügte Kircheis über einen reichen Schatz von technischem und geschäftlichem Wissen und vielfachen Erfahrungen; aber um so geringer waren seine pekuniären Mittel, so daß der Anfang seiner Selbständigkeit, im März 1861, in Wirklichkeit unter den allerbescheidensten Verhältnissen mit nur 1 Arbeiter stattfand. In der ersten Zeit bestand die Hauptbeschäftigung in der Herstellung kleiner gewerblichen Maschinen und deren Reparatur, wobei Kircheis bald kennen lernte, daß unserm Kleinmeister mit zweckmäßigen maschinellen Einrichtungen sehr genützt werden könne. Besonders fehlte es der in der Umgegend von Aue stark vertretenen Blechwarenfabrikation an praktischen Hilfsmaschinen, denn die wenigen vorhandenen Maschinen, meist amerikanischen Ursprungs, genügten kaum den bescheidensten Ansprüchen. Im Verkehr mit den Meistern dieses Gewerbes lernte er dasselbe und seine Bedürfnisse näher kennen und nahm – wie die Folge zeigte mit gutem Glück – die Fabrikation der Blechbearbeitungsmaschinen für Klempner, Kupferschmiede etc., meist nach seinen eigenen, den deutschen Erfordernissen angepaßten, Konstruktionen in die Hand. Nach mancherlei bitteren Kämpfen gegen den Hang für das Althergebrachte, gegen die engherzigen Vorurteile und das Mißtrauen allen Neuerungen gegenüber und nach manchen pekuniären Sorgen hatte Kircheis doch endlich die Genugthuung, nicht nur in seiner Heimat, sondern weit über die Grenzen Deutschlands hinaus, die vollste Anerkennung zu finden. Sein in einem kleinen Mietraume begonnenes Geschäft erweiterte sich so, daß er schon

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Erster Theil. Eckert & Pflug, Kunstverlag, Leipzig 1892, Seite 191. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gro%C3%9F-Industrie_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen_in_Wort_und_Bild_Teil_1.pdf/207&oldid=- (Version vom 11.12.2022)