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Der Umsatz von 1873 ist seit dem Bestehen der Königin Marienhütte bis jetzt der größte; die höchste Produktion in den einzelnen Werkstätten wurde 1888 erreicht. Trotzdem ist der pekuniäre Effekt der Produktion des Jahres 1888 bedeutend geringer als z. B. im Jahre 1873, wo bei 48 157 To. Gesamt-Produktion der Fakturabetrag M. 11 403 000 betrug, während 1888 auf insgesamt 67 531 To. nur ein solcher von M. 6 306 000 erreicht worden ist.

Dies ist ein beredtes Zeugnis von dem Einfluß der günstigen Konjunktur, welche bis zum Jahre 1873 preissteigernd gewirkt, mit dem plötzlichen Eintritt der großen Reaktion aber auch ein rapides Sinken der Preise zur Folge hatte; aus der Tabelle ist nachweisbar, daß der Fakturabetrag für 32 508 To. im Jahre 1880 nur M. 4 066 000, also pro To. M. 125 betrug, im Jahre 1888 sogar auf 93 M. gesunken war, dagegen im Jahre 1873 sich dieser Einheitswert mit 237 M. berechnete.

Das natürliche Absatzgebiet für die Produkte der Hütte ist das Königreich Sachsen, sowie die angrenzenden Länder, welche durch einmündende Bahnen mit Sachsen leichten Verkehr ermöglichen. Für alle ihre Produkte ist das sächsische Gebiet allein nicht aufnahmefähig genug, und muß daher weiterer Absatz gesucht werden. Es gilt dies besonders für Eisenbahnbaumaterialien, als Schienen, Schwellen, Laschen und Platten; ebenso für Bauträger, Gas- und Wasserleitungsröhren, sowie für Eisenkonstruktionen. Für den Export ist die Lage der Hütte nicht günstig.

Auf die hochgehenden Jahre von 1870–73 mit nie erwarteten hohen Eisenpreisen und Verdienst folgten Jahre der größten Depression, und nur die Jahre 1878, 1880, 1882 und endlich wieder 1888 ermöglichten es, eine Dividende aus den Erträgen der Hütte zu zahlen. Nicht allein die zu außerordentlicher Tiefe gesunkenen Eisenpreise, sondern ganz besonders der Mangel an hinreichender Beschäftigung lasteten schwer auf dem Werke. Die Zahl der beschäftigten Berg- und Hüttenleute, die 1873 2092 betrug, sank 1876 auf 1223 und stieg ganz allmälig wieder bis zum Jahre 1888 auf 1893.

Nachdem die von der Deutschen Reichs- und Continental-Eisenbahnbaugesellschaft unternommenen Bauten der Posen-Creuzburger- und Weimar-Geraer Eisenbahn mit dem Jahre 1877 beendet und keine Aussichten zur weiteren Uebernahme von Bahnbauten vorhanden waren, wandelte sich dieselbe unter gleichzeitiger Reduktion des Aktienkapitals von 10 auf 6 Millionen um in die „Königin Marienhütte, Aktiengesellschaft.“

Im Jahre 1881 wurde an Stelle der vorhandenen vier Hohöfen ein neuer erbaut, dessen Leistungsfähigkeit größer als die der abgetragenen Öfen ist. 1883 wurde das Walzwerk rekonstruiert und besonders durch Aufstellung neuer, zum Teil wesentlich stärkerer Dampfmaschinen für die ausgedehntere Fabrikation von Bauträgern eingerichtet. 1887 endlich erfolgte der Bau einer Siemens-Martinstahlhütte.

Seit dem Jahre 1866 besitzt die Königin Marienhütte eine Knappschaftskasse, die für Beamte und Arbeiter höchst segensreich wirkt; durch sie war schon lange vor dem Erlaß der Gesetze über Kranken- und Unfallversicherung nicht allein hierfür, sondern auch für Invaliditäts- und Altersversicherung, Witwen- und Waisenunterstützung auskömmlicher gesorgt, als es die betreffenden Gesetze vorschreiben, resp. dafür in Aussicht genommen ist. Die Kranken- und Unfallunterstützung bewegt sich seit der Geltung der betreffenden Gesetze im Rahmen derselben. Invaliden erhalten nach fünfjähriger Mitgliedszeit 10%, und aufsteigend bei dreißigjähriger Mitgliedschaft 55% eines für die einzelnen Mitglieder festgesetzten Normallohnes. Mitglieder, welche über 60 Jahre alt sind und 30 Jahre der Kasse als Mitglied angehören, haben das Recht, ihre Pensionierung zu verlangen und sind in der weiteren Verwertung ihrer Arbeitskräfte unbeschränkt. Die Beiträge zu dieser Pensionskasse sind inkl. der Krankenkassenbeiträge auf 3½% des Arbeitslohnes und pro Vierteljahr eines Normalarbeitstages-Verdienstes, sogenannter Quartalschicht, von seiten der Mitglieder und auf 3⅓% der ausgezahlten Löhne sowie 2 Pf. für 100 kg verkaufter Eisenwaren von seiten des Werkes normiert. Vom Bestehen der Knappschaftskasse bis Ende 1888 betrugen die Zahlungen der Hütte an dieselbe M. 961 384,25. An Pensionen wurden während dieser Zeit M. 865 735,00 gezahlt. Das Vermögen der Kasse betrug Ende 1888 M. 999 785,06.

Für erkrankte Beamte ist nach Trennung der Krankenversicherung von der Knappschaftskasse durch eine besondere Beamtenkrankenkasse gesorgt.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Erster Theil. Eckert & Pflug, Kunstverlag, Leipzig 1892, Seite 204. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gro%C3%9F-Industrie_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen_in_Wort_und_Bild_Teil_1.pdf/220&oldid=- (Version vom 23.2.2020)