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Sobald das Grünmalz auf den Tennen resp. in den Keimkästen das vorgeschriebene notwendige Wachstum erreicht hat, kommt dasselbe auf die Darre und wird, je nachdem das Malz verwendet werden soll, einer verschiedenen Temperatur bei 36 stündiger Darrzeit ausgesetzt; so wird das Malz zu ganz lichtem sogenanntem Pilsener Bier bei 35-40°, das Malz zu hellem Lagerbier bei 70–72° und das Malz zu dunklem Bairischbier bei 75–80° R. abgedarrt. Die Mälzereien produzieren pro anno 80 000 Ctr. Malz, während die Leistungsfähigkeit 90–100 000 Ctr. beträgt.

Das Malz wird vermittels Malzputzmaschinen von dem Wurzelkeim befreit und auf den großen Malzböden 5–4 Monate aufgespeichert, da nur aus einem gut abgelagerten Malz ein gutes Bier erzeugt werden kann.

Das zum sofortigen Verbrauen bestimmte Malz wird in der Schrotmühle möglichst fein zerkleinert und nachdem das Gewicht durch den Steuerbeamten festgestellt ist, in den Maisch-Bottich eingeführt, mit kaltem Wasser vermischt und dann allmälig bis zu einer Temperatur von 60° R. gesteigert. Es tritt der Verzuckerungs-Prozeß ein und das im Malz enthaltene Stärkemehl verwandelt sich in Dextrin und in Zucker und bildet dieses Product die Würze, welche abgeläutert in die Braupfanne übergeführt und ca. 3 Stunden im Kochen erhalten wird; während dieser Zeit wird der Hopfen zugesetzt, um sowohl dem Bier die nötige Haltbarkeit, als auch den angenehmen bitteren Geschmack zu geben.

Dieser Brauprozeß geht im Sudhause vor sich und werden täglich je nach Bedarf vermittels zweier mächtiger Maisch- und Läuterbottiche sowie zweier großartiger Braupfannen 4–6 Gebräude hergestellt, deren jedes circa 3750 kg Malz und 50 kg Hopfen erfordert.

Die klar gekochte Würze läuft durch den Hopfenseiher auf die Kühlschiffe und von da nach kurzem Verweilen mit einer Temperatur von 50–60° R. über zwei Flächenberieselungs-Bierkühl-Apparate größter Nummer – woselbst das Bier auf 3–4° abgekühlt wird – nach den Gährbottichen, um hier mittels untergähriger Hefe den Gährprozeß, welcher ca. 14 Tage dauert, durchzumachen und befinden sich in den vorzüglich ventilierten wie sauberen Gährkellern ca. 400 Gährbottiche von je 30 Hectoliter Inhalt. Jeder Gährbottich enthält einen sogenannten Taschenschwimmer, dur welchen auf 1° R. gekühltes Wasser getrieben wird, um die erforderliche Temperatur des auf Gährung stehenden Bieres stets einzuhalten. Nach vollendeter Gährung wird das Bier durch Pumpwerke in die Reservoirs und von da in die Lagerfässer übergeführt, welche letzteren in einem imposanten Keller-Complex von 30 Abteilungen à 2000 Hectol. aufgestapelt sind. In diesen Lagerkellern ist stets ein Bestand von ca. 50 000 Hectol. vorhanden, welcher daselbst 4–5 Monate lagert, dann erst auf Versandfässer gezogen und mittelst großer Fahrstühle an das Tageslicht befördert wird.

In der Leipziger Bierbrauerei, Riebeck & Comp., sind ferner zwei Linde’sche Eismaschinen No. 6, welche zusammen täglich 1 600 Ctr. Eis produzieren resp. ersetzen, in Thätigkeit, um sowohl den beiden Bierkühl-Apparaten nebst den angeführten Taschenschwimmern in den Gährbottichen das notwendige Kühlwasser zu liefern, als auch gleichzeitig die Gährkeller auf einer Temperatur von 4–5° R. und die Lagerkeller auf einer Temperatur von 1–2° R zu erhalten, außerdem falls nötig, für die Kundschaft das verlangte Eis zu produzieren.

Der enorme Wasserverbrauch der Brauerei, welcher sich täglich auf 6–7000 Hectol. beläuft, wird durch eine eigene 15 Minuten von der Brauerei entfernte Wasserstation gedeckt, zu welchem Behufe drei Dampfpumpen in Thätigkeit sind, welche durch unterirdische Leitung der Brauerei das nötige Wasser zuführen.

Die meisten Arbeitsstätten, als namentlich Sudhaus, Gähr- und Lagerkeller werden durch Gas eigener Fabrik, die Räume der Mälzereien durch elektrisches Licht erleuchtet.

Zu erwähnen ist ferner noch die zweckmäßige Einrichtung der mit den besten Hilfsmaschinen versehenen Werkstätten der Böttcher, Zimmerer, Stellmacher, Schlosser und Schmiede und verfügt die Brauerei auch über vorzüglich ventilierte Schlaf-, Bade- und Wohnräume sowie über eine eigene große Küche.

Das Gesamtpersonal, welches beschäftigt ist, beträgt 250 Mann.

Das Absatzgebiet der Brauerei erstreckt sich über das Königreich Sachsen, die Provinz Sachsen und Thüringen. Den Versand nach der Stadt Leipzig und den Vororten vermitteln 40 Pferde, während das per Bahn zu versendende Bier durch 12 eigene Biertransportwagen, worin das Bier im Sommer durch Eis gekühlt und im Winter durch Feuerung vor Kälte geschützt ist, befördert wird.

Dies ist in kurzen Umrissen ein Bild der Leipziger Bierbrauerei, Riebeck & Comp. , das bei dem zugemessenen kurzen Raum auf Vollständigkeit selbstverständlich keinen Anspruch macht.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Erster Theil. Eckert & Pflug, Kunstverlag, Leipzig 1892, Seite 229. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gro%C3%9F-Industrie_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen_in_Wort_und_Bild_Teil_1.pdf/245&oldid=- (Version vom 23.2.2020)