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F. Winkler & Sohn Nachf. in Mittweida,
Stuhlwaren-Fabrik.

Das Etablissement der Firma F. Winkler & Sohn Nachf. in Mittweida fabriziert Stühle, Sofagestelle und überhaupt Sitzmöbel aller Art, sowie in einer besonderen Abteilung andere Möbel vornehmlich edlerer Gattung.

Die Fabrik arbeitet mit Dampfkraft und Maschinen; dieselbe beschäftigt unmittelbar in den Fabrikräumen ca. 200 Arbeiter als Stuhlbauer, Tischler, Bildschnitzer, Drechsler, Polierer, Packer u. s. w., sowie in der Haus-Industrie ca. 150 Stuhlbauer und mit Rohrflechterei etwa 180 Frauen und Kinder.

Das Gebiet der Haus-Industrie erstreckt sich auf Mittweida und die umliegenden Ortschaften bis nach Rochlitz, Geringswalde, Hartha, Waldheim und Hainichen.

Die Firma produziert jährlich ca. 150 000 Stühle und sonstige Möbel. Das Hauptabsatzgebiet bilden das deutsche Reich und die Niederlande.

Gegründet wurde die Fabrik-Anlage im Jahre 1836 im Dorfe Ehrenberg bei Waldheim von Johann Christian Friedrich Winkler, welcher die Stuhlbauerei bei Ernst Wünschmann in Höfgen bei Waldheim – dem Begründer dieses Gewerbes im sächsischen Niederlande –, dessen erster Lehrling er war, erlernt hatte. Im Jahre 1862 siedelte Winkler von Ehrenberg nach Mittweida über und machte zugleich hier, sowie in weitem Umkreise die Stuhlbauerei seßhaft. Winkler verstarb im Jahre 1875 und gegenwärtig ist ein Sohn desselben, Franz Winkler, alleiniger Inhaber des Etablissements.

Der Betrieb der Stuhlbauerei erfuhr in Mittweida eine stete, wenn auch nur allmähliche Vergrößerung. Lange Zeit hindurch erstreckte sich die Herstellung von Stuhlwaren auf solche einfachster Form, vornehmlich unter Benutzung der Haus-Industrie. Der verfeinerten Geschmacksrichtung, welche inzwischen in der kaufenden Welt sich Bahn gebrochen, hat sich aber die Winkler’sche Fabrikation anzupassen verstanden. Dieser letztere Umstand, verbunden mit vermehrter Nachfrage nach dem Fabrikate, bedingte nicht nur die Verlegung des Schwerpunktes der Fabrikation in die eigene, unter unmittelbarer Leitung der Firma stehende Werkstatt, sondern auch gleichzeitig das Anfügen einer besonderen Abteilung für Kunsttischlerei. Im Jahre 1883 wurde mit dem Aufbau einer Fabrik größeren Maßstabes mit rationeller Maschineneinrichtung begonnen, in deren Räumen eine rege Thätigkeit in beiden vorangedeuteten Fabrikationszweigen (Stuhlbau und Kunsttischlerei) entfaltet wird.

Was speziell die Abteilung für Kunsttischlerei betrifft, so befaßt sich dieselbe ausschließlich mit der Erzeugung streng stilgerechter Möbel und dekorativer Holzarchitektur für herrschaftliche Wohnräume, Kirchen, Behörden, Theater, Kasinos u. s. w., und zwar nach Entwürfen eines eigenen, unter der Leitung eines kunstgewerblichen Architekten stehenden Ateliers.

Um bei den Arbeitern selbst eine leichtere Auffassung hervorzurufen und um dieselben überhaupt für den Beruf befähigter zu machen, besteht im Etablissement eine eigene Fachzeichen- und Modellir-Schule; der Unterricht ist unentgeltlich; bezüglich der Lehrlinge ist der Besuch auf 3jährige Dauer obligatorisch, während die Gehilfen freiwillig teilnehmen können.

Das Etablissement hatte am 17. Juli 1890 die hohe Ehre, von Sr. Majestät König Albert eingehend besichtigt zu werden, wie es denn auch vorher mehrfach durch Besuche hochgestellter Persönlichkeiten: der Herren Kreishauptleute Graf zu Münster und Freiherr von Ehrenstein, Geheimrat Böttger, Geheimer Regierungsrat Vodel u. s. w. ausgezeichnet worden ist.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Erster Theil. Eckert & Pflug, Kunstverlag, Leipzig 1892, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gro%C3%9F-Industrie_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen_in_Wort_und_Bild_Teil_1.pdf/32&oldid=- (Version vom 29.12.2019)