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Märkten und Messen, en gros wie en détail, an den Mann gebracht wurden. Im Jahre 1871 aber wurde das Schirmgeschäft aufgegeben und verkauft. Statt dessen erwarb die Firma Joh. Giehler ein Grundstück, einen Teil ihres jetzigen und begann mit 32 mechanischen Stühlen und eigener Dampfkraft die Fabrikation für den Markt. Zuerst wurden ihre Fabrikate stückweise und fast ausschließlich in Deutschland abgesetzt. Jedoch bereits 1873 schuf sie sich durch Herstellung und Einführung eines zweifarbigen Schirmstoffes, schwarz mit lila Futter, den sogenannten Doubléstoff, eine Spezialität, die ihr im Inlande wie im Auslande einen wohlverdienten Ruf erwarb. Im Jahre 1874 brachte sie als Neuheit die erste halbseidene Ware auf den Markt, die aus Seide und Wolle bestand und unter dem Namen Silk-Zanella in Handel kam. Daraufhin spielte in der Schirmbranche der Gloriastoff sowie Concurrenziastoff, letzterer von der Firma zuerst eingeführt (auch Gloriosa, Austria, Helvetia genannt), eine bedeutende Rolle. Das neueste Produkt der Firma ist Satin de Chine, aus Seide und Baumwolle bestehend, und sind gegenwärtig über 500 Webstühle in 3–4-facher Breite beschäftigt.

Um in jeder Beziehung leistungsfähig zu bleiben, richtete Joh. Giehler im Frühjahre 1889 auch noch eine eigene Färberei mit Appreturanstalt ein, die mit den neuesten Maschinen versehen wurde. Hierzu wurde Herr Rudolf Körner, welcher 16 Jahre lang Leiter der Chemnitzer Aktienfärberei war, als Teilhaber aufgenommen. Er führte ein vollständig farbechtes Anilinschwarz für Schirmstoffe ein und trug damit viel dazu bei, den guten Ruf, den die Firma in allen Ländern besitzt, zu befestigen.

Die Firma Joh. Giehler ist die einzige in Sachsen, welche als Spezialität Schirmstoffe in Halbseide fabriziert und eingeführt hat. Während vorher Baumwolle, sowie Halbwolle ihre hauptsächlichsten Erzeugnisse bildeten, machte in den letzten zehn Jahren die Halbseide weitaus den größten Teil der Produktion aus. Das Etablissement wird zur Zeit mit zwei größeren und fünf kleineren Dampfmotoren, sowie mit ca. 700 Beamten und Arbeitern betrieben. Seide, Wolle und Baumwolle sind die Rohprodukte, die verarbeitet werden. Der Export des Hauses erstreckt sich, obgleich dasselbe jetzt in Chicago zum erstenmal ausstellt, nach allen Weltteilen.

Zum Schluß möge noch Erwähnung finden, daß am 8. April 1892 Herr B. E. Giehler, der Begründer der Firma, gleichzeitig mit Herrn H. Kleiber, dem ersten Arbeiter, den er als junger Anfänger engagierte und der jetzt als Direktor fungiert, das 25-jährige Jubiläum feierte.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Zweiter Teil. Eckert & Pflug, Kunstverlag, Leipzig 1893, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gro%C3%9F-Industrie_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen_in_Wort_und_Bild_Teil_2.pdf/140&oldid=- (Version vom 4.8.2020)