„Kaffee ist Gift!“ entschied seinerzeit der Arzt Voltaires und der geistreiche Spötter soll darauf geantwortet haben: „Gewiß – aber ein sehr langsam wirkendes, denn ich bin dabei achtzig Jahre alt geworden.“ Wenn wir dieser Anekdote auch nichts anderes entnehmen, so bezeugt sie uns doch, daß schon vor mehr denn hundert Jahren der heute als regelmäßiges Morgengetränk beliebte Kaffee von den Ärzten für gesundheitsschädlich gehalten wurde, sofern man sich seiner als täglichen Genußmittels bediente. Ob er solches angesichts der immer lebhafter werdenden Agitation auch bleiben wird, kann erst die Zukunft lehren. Thatsache ist, daß man in vielen Haushalten ihn durch ein anderes Getränk ersetzt hat, und vor allem ist es neuerdings der Kakao, der am ersten dazu berufen erscheint, seine Stelle einzunehmen.
Der Firma Hartwig & Vogel in Dresden gebührt ein großer Teil des Verdienstes, den Kakao erst zu einem vollwichtigen Nahrungs- und Genußmittel gemacht zu haben. Sie war unseres Wissens die erste, welche in Deutschland einen wirklich reinen, entölten, in Wasser leicht lösbaren Kakao in Pulverform in Handel brachte und denselben im Haushalte eingebürgert hat.
Gegründet 1870, begann die Fabrik ihren Betrieb mit 40 Arbeitern und einer 25-pferdigen Dampfmaschine. Noch nicht einmal ein Vierteljahrhundert bestehend, hat sich ihre Produktion wie ihr Umfang seit jener Zeit nahezu verdreißigfacht: sie beschäftigt jetzt ca. 1200 Arbeiter, hat 4 Dampfkessel und 2 Dampfmaschinen von 400 Pferdekräften, sowie nicht weniger wie 300 Hilfsmaschinen im Gange. Ihr Barumsatz beläuft sich auf über 4 Millionen Mark, ihr Verbrauch an Rohmaterialien auf über 2 Millionen Pfund Kakao, 3 Millionen Pfund Zucker und 2 Millionen Pfund andere Rohstoffe z. B. Mandeln, Nüsse, Früchte aller Art, Mehl, Honig, Gewürze und Cedern. Entsprechend diesem kolossalen Betrieb, ist auch ihr Absatzgebiet über die ganze Erde ausgedehnt. Hartwig & Vogel verkaufen ihre Erzeugnisse nicht nur in Deutschland und Österreich – wo sie in Bodenbach eine Zweigfabrik besitzen – sondern sie exportieren auch nach Nord- und Südamerika, England, Holland, Dänemark, Skandinavien, Serbien, Bulgarien, Rumänien, Kleinasien, China und sogar nach Auckland.
Groß und mannigfach ist die Art der Spezialitäten, die aus ihren Etablissements hervorgehen und deren Preisnotierung allein einen 48 Seiten starken, enggedruckten Katalog füllt. Da ist denn in erster Linie der weltberühmte Cacao vero zu nennen. Derselbe wird sowohl in Pulver, wie in Würfelform in den Handel gebracht und übertrifft in seiner Qualität sowohl die holländischen, wie die schweizer Präparate. Er kann thatsächlich auf das Prädikat „leicht löslich“
Verschiedene: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Zweiter Teil. Eckert & Pflug, Kunstverlag, Leipzig 1893, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gro%C3%9F-Industrie_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen_in_Wort_und_Bild_Teil_2.pdf/167&oldid=- (Version vom 4.8.2020)