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J. G. Irmler, Leipzig
Flügel- und Pianinofabrik.

Vor nunmehr fast 100 Jahren schrieb der alte Königl. Sächs. Accis-Einnehmer J. G. Irmler in Ober-Grumbach bei Dresden an seinen Sohn, als dieser ihm mitgeteilt, daß er sich in Wien dem Instrumentenbau widmen wollte, „Mein Sohn, überleg Dirs wohl: Einen Tisch, einen Stuhl, eine Wiege braucht jeder Bauer, ein Klavier aber nur der Edelmann!“ – Dieser Sohn, Johann Christian Gottlieb Irmler, war von Haus aus sehr musikalisch und hatte deshalb in seiner Jugend Violin- und Klavierunterricht genossen, wobei er es besonders auf dem letzteren Instrumente zu bemerkenswerter Fertigkeit brachte. Von Haus aus Tischler, hatte derselbe nach längerer Wanderschaft durch Sachsen, Thüringen und Bayern, in Wien dem Instrumentenbau sich zugewandt, der Ende des vorigen und Anfang dieses Jahrhunderts dort in hoher Blüte stand. Dann war er in dem weltberühmten Hause von Breitkopf & Härtel in Leipzig in der Abteilung für Instrumentenbau thätig gewesen, und nunmehr beschloß er, sich in dieser Branche selbständig zu machen. Das einstige Mahnwort des schlichten Vaters war von dessen Standpunkt aus berechtigt. Der Sohn aber hatte sich in seinem Handwerk und in der Welt umgesehen und einen weiteren Horizont gewonnen. Er wußte besser, daß dieser jung aufblühende Geschäftszweig eine gewaltige Zukunft habe. Und so machte er sich denn ans Werk: am 8. April 1818 begründete er in den Räumen der Barfußmühle zu Leipzig eine Pianofortefabrik – die spätere Weltfirma J. G. Irmler.

Der unternehmende, thatkräftige Mann stand damals im Alter von 28 Jahren, und der alte Vater hatte noch vollauf Gelegenheit, sich zu überzeugen, daß seine einstige Besorgnis unbegründet war und sich der Erfolge des Sohnes zu erfreuen.

In dem Jahre, wo dieser vorliegende Band in die Presse geht, feiert die „Irmlersche Pianofortefabrik“ das Jubiläum ihres 75-jährigen Bestehens, und es verlohnt sich wohl, aus diesem Anlaß einen Blick auf ihre Entwicklungsgeschichte zu werfen.

Das erste Domizil des Geschäftes war die alte Barfußmühle. Aber bereits 1827 wurde das jetzige Grundstück erworben und der Betrieb dahin verlegt. Von Jahr zu Jahr vergrößerte sich der Umfang und das Absatzgebiet des Etablissements. Streng solide Arbeit und Geschäfts­-Prinzipien erzielten stetige Fortschritte; indes sind auch sorgenvolle Übergangsperioden, durch

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Zweiter Teil. Eckert & Pflug, Kunstverlag, Leipzig 1893, Seite 175. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gro%C3%9F-Industrie_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen_in_Wort_und_Bild_Teil_2.pdf/191&oldid=- (Version vom 4.8.2020)