Helfenberg bei Dresden.
Nicht bloß diese Fabrik, sondern überhaupt der ganze Industriezweig, welcher heute die fabrikmäßige Herstellung chemisch-pharmazeutischer und galenischer Präparate umfaßt, ist eine Schöpfung Eugen Dieterichs. Er war der Erste, welcher begann, jene Präparate, die man bisher in den Apotheken mühselig und mangelhaft mit der Hand fabrizierte, exakt und gleichmäßig im Großen herzustellen, und sein Etablissement hat in der von ihm neugeschaffenen Branche den ersten Platz ehrenvoll bis heute behauptet. Eine Schilderung des Entstehens und der Thätigkeit der Dieterichschen Anlagen ist gleichbedeutend mit einer Biographie ihres Begründers, und die Aufgabe, ein Bild dieser Werkstätte angewandter Wissenschaft zu zeichnen, wird am besten dadurch gelöst, daß wir den Lebens- und Entwicklungsgang jenes thatkräftigen Mannes darzustellen versuchen.
Gustav Heinrich Wilhelm Eugen Dieterich wurde am 6. Oktober 1840 zu Waltershausen (Unterfranken) geboren und ist von Haus aus Apotheker. Auf der Universität München, ein Schüler Liebigs und Jollys, vor allem aber ein eifriger Praktikant in den Laboratorien Buchners und Wittsteins, legte er schon frühzeitig den Grund zu umfangreichen technischen Kenntnissen. Nachdem er das Staatsexamen bestanden, mußte er zu seinem Schmerze, da ihm die Mittel fehlten, weiteren Studien entsagen und eine Stellung annehmen. Er trat in eine Münchener Mineralfarbenfabrik als Chemiker ein, in der er später zum Betriebsleiter avancierte. Nach einiger Zeit vertauschte er diese Stellung mit einer ähnlichen in einer böhmischen Paraffinfabrik. Als Frucht dieser kurzen praktischen Thätigkeit entstand in ihm der Plan, einen neuen eigenartigen Zweig der Großtechnik dadurch hervorzurufen, daß er pharmaceutische Präparate fabrikmäßig herstellte. Schneller als er gedacht, fand er Gelegenheit, ihn zu verwirklichen. Im Jahre 1869 erhielt er den Auftrag, die Papierfabrik Helfenberg in eine Fabrik chemisch-pharmaceutischer Präparate umzuwandeln. Er führte die Aufgabe durch, und als die Fabrik 1872 veräußert werden mußte, übernahm er sie gemeinsam mit E. Schnorr v. Carolsfeld in eigenen Betrieb. Achtzehn Jahre lang blieben beide Gesellschafter vereint; im Jahre 1890 aber zog sich E. Schnorr v. Carolsfeld von dem Geschäft zurück und Eugen Dieterich führte die Fabrik unter der Firma: „Chemische Fabrik in Helfenberg bei Dresden“ allein weiter.
Verschiedene: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Zweiter Teil. Eckert & Pflug, Kunstverlag, Leipzig 1893, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gro%C3%9F-Industrie_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen_in_Wort_und_Bild_Teil_2.pdf/72&oldid=- (Version vom 2.4.2020)