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Eugen Dieterich hat durch seine Thätigkeit in dem Apothekerberufe eine vollständige Wandelung hervorgerufen, indem er an Stelle des Laboratoriumbetriebes durch Stößer, Lehrlinge und Gehilfen, den Maschinenbetrieb setzte. Dieser Gedanke wäre an sich schließlich nichts Bedeutsames und hätte ebensogut dem Kopfe eines findigen Industriellen entspringen können, wenn – diese Maschinen bereits vorhanden gewesen wären. Aber sie mußten erst erdacht und konstruiert, mindestens verbessert werden! So hat dieser seltene Mann denn nicht weniger als ein Dutzend selbstständiger Maschinen geschaffen und über vierzig fertige Präparate, Präparatformen, Herstellungs­-Verfahren, Verpackungen und Anwendungen erdacht und in der Pharmacie eingeführt. Seine Bestrebungen fanden durchaus nicht den ungeteilten Beifall der Zeitgenossen. Das Hinauswandern der galenischen Präparate aus dem Laboratorium in die Fabrik hat ihm manche Gegner wachgerufen, und gewandt mit der Feder, schlagfertig in der Polemik, hat er manchen harten Strauß ausgefochten.

Es liegt in der Natur der Sache, daß ein Mann von so grundlegendem Schaffen auch eine reiche litterarische Thätigkeit entfalten mußte. Eugen Dieterich wird denn auch mit unter den besten pharmaceutischen Schriftstellern der Gegenwart genannt. Er begründete für seine Bestrebungen ein eigenes Organ „Die Helfenberger Annalen“, in welchem er sein analytisches Material zur Diskussion stellte; die berühmtesten Ergebnisse auf diesem Gebiete sind die „Helfenberger Morphinbestimmungsmethode“ und die „Kalk-Äther-Methode“. Mehr das praktisch-pharmaceutische Gebiet vertritt sein „Neues pharmaceutisches Manual“, welches Herstellungsverfahren behandelt und mit dem er einen beispiellosen Erfolg errang. Hand in Hand mit der Fertigstellung dieser beiden Zeitschriften gingen noch zahlreiche größere Publikationen, teils Analyse, teils Herstellungsverfahren behandelnd, von denen sein Biograph E. Bosetti aus der ersten Kategorie 26, aus der letzteren 15 aufzählt.

Werfen wir noch einen flüchtigen Blick auf das Etablissement selbst. Als Eugen Dieterich es auf eigene Rechnung übernahm, repräsentierten eine kleine einpferdige Dampfmaschine und wenige Hilfskräfte den gesamten Betrieb. Heute finden wir dort in einer stattlichen Reihe von Gebäuden eine fünfzigpferdige und drei kleinere Dampfmaschinen sowie Hilfsmaschinen, zwei große Laboratorien, elektrisches Licht, Telegraphen- und Fernsprechanschluß. Nicht weniger wie 28 Fabrikbeamte, darunter 3 examinierte Chemiker und gegen 200 Arbeiter und Arbeiterinnen bilden das Personal der Firma, deren Absatzgebiet sich über alle fünf Erdteile erstreckt und deren Erzeugnisse mannigfache Auszeichnungen erhielten. (1871 Ehrendiplom und 1875 bronzene Medaille der Industrieausstellung Dresden, 1876 bronzene Medaille in Philadelphia, 1883 silberne Medaille in Wien, 1888 silberne Medaille in Brüssel.) Auch der Besitzer selbst hat sich schmeichelhafter Anerkennungen zu erfreuen gehabt: Er erhielt 1892 die Carola-Medaille und 1893 das Ritterkreuz I. Klasse des Albrechtsordens.

Möge dem Manne, der einst das treffende Wort aussprach: „Ich halte die Arbeitskraft wissenschaftlich gebildeter Männer für zu schade, um sie zur Herstellung von Verreibungen (des Quecksilbers zu grauer Salbe) zu verwenden!“ noch ein langes, erfolgreiches Wirken beschieden sein.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Zweiter Teil. Eckert & Pflug, Kunstverlag, Leipzig 1893, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gro%C3%9F-Industrie_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen_in_Wort_und_Bild_Teil_2.pdf/73&oldid=- (Version vom 2.4.2020)