G. L. Lippold
Der Mantelsack, in dem der „Musterreiter“ der guten alten Zeit seine Warenproben mit sich führte, ist längst von der Bildfläche verschwunden, gleichwie sein Besitzer selbst! Die kolossale Entwicklung, die die Industrie im Zeitalter des Dampfes und der Elektricität genommen hat, fordert ambulante Musterlager von einem Umfange und einer Reichhaltigkeit, über die die alten Kaufherren der Großvaterzeit staunen würden. Und statt aus müdem Gaule von Stadt zu Stadt zu traben, saust heute der moderne Handlungsreisende im Kurierzuge durch die Lande, an einem Tage mehr Plätze besuchend wie jener in Wochen. Der schlichte Mantelsack aber ist von dem Musterkoffer verdrängt worden, der in hunderterlei Varietäten, vom eleganten kleinen Leder-Koffer an bis zum mächtigen Ungetüm der Kurzwarenfabrikanten, dem Hoteldiener so manchen Tropfen Schweißes erpreßt.
In der neueren Zeit hat eine ganz besondere Art von Reisekoffern die Aufmerksamkeit der Interessenten erregt und sogar der berühmten Kofferfabrikation Englands erfolgreich auf dem Weltmarkt Konkurrenz gemacht: die Rohrplattenkoffer der Firma G. L. Lippold in Dresden.
Die Dresdner Reiseutensilien- und Lederwarenfabrik von G. L. Lippold wurde im Jahre 1863 von ihrem derzeitigen Inhaber begründet, zwar unter bescheidenen Verhältnissen, aber gleich von vornherein mit dem ausgesprochenen Geschäftsprinzip, in ihrer Spezialität nur das Gediegenste zu erzeugen. Durch die rastlose Thätigkeit und die hervorragenden Fachkenntnisse des Begründers hob sich sehr bald das Geschäft in stetig fortschreitender Entwicklung, und heute zählt es zu den größten dieser Branche in Deutschland. Seine Erzeugnisse bestanden und bestehen noch in Reise- und Musterkoffern, Taschen aller Art und Militärausrüstungs-Gegenständen. Die Fabrikation derselben wird mit allen Hülfsmaschinen der Neuzeit und geübten Arbeitskräften betrieben.
Eine eigene Spezialität erstand dem Geschäft, als Herr G. L. Lippold die Erfindung der schon eingangs erwähnten Rohrplatten machte, die unter Nr. 15 181 als deutsches Reichs-Patent eingetragen ist. Es ist dies ein Material, das aus Spanisch- bezw. Javarohr,
Verschiedene: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Zweiter Teil. Eckert & Pflug, Kunstverlag, Leipzig 1893, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gro%C3%9F-Industrie_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen_in_Wort_und_Bild_Teil_2.pdf/95&oldid=- (Version vom 2.4.2020)