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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band

von allen Seiten und jeden Abend nach der Arbeit, wenn er will, zur Ruhe und Erfrischung in der Gesellschaft, in einem hellen, großen Zimmer bei angenehmen Damen, schönen Kindern, Musik, Büchern, Gelegenheit zum Gespräch über die höchsten Interessen des Lebens, die in so nahem Verhältniß zu den Interessen der Gesellschaft stehen. Im Grunde glaube ich, daß ich diese Anstalt zu lieben anfange, während ich von ihr schreibe, und wenn ich an ihr freundliches Benehmen gegen diesen Mann und gegen viele seines Gleichen denke. Ist es nicht etwas Schönes und Großes, wenn das höchste bürgerliche Leben der Gesellschaft auch den geringsten Menschen, der sich dessen nicht unwürdig macht, so aufnimmt, daß es ihn seines Lichtlebens theilhaftig macht, wenn er an seinem Arbeitsleben Theil nimmt? Aber dieß ist es just, was der christliche Socialismus beabsichtigt. Und wohl kann er im Bewußtsein dessen muthig den Spott und Hohn ertragen, welchen die große Gesellschaft noch oft auf ihn wirft, und sein Angesicht dem ewigen Lichte zugewandt, getrost sagen, wie Mr. A. (der Geistliche und Farmer) bei unserem Abschied zu mir sagte: Wir fühlen, daß wir hier auf keinen Menschen treten.

Aber meine Bedenklichkeiten gegen das Lose in dieser besondern Formation bleiben noch immer. Auf dem Dampfboot im stillen Gespräch mit meinen Freunden entwickelten wir die Fragen noch weiter. Ich wiederholte meine Einwürfe gegen dieses Gebäude ohne festen Grund. Channing hatte guten Glauben daran, denn er ist der Ansicht, daß die tieferen Gesetze des Denkens und Lebens sich nothwendig aus der Menschennatur entwickeln, wenn man es ihr überläßt, sich selbst zu prüfen und zu versuchen. Was ich verlange, sagte er, das wurde im Phalanstère noch kommen, und zwar auf einem neuen Wege und mit stärkerer Ueberzeugung kommen. Ich glaube wie Channing, daß es kommen muß, weil die Menschennatur diese Keime ewiger Ideen in sich trägt,

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 104. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Erster_Band.djvu/108&oldid=- (Version vom 11.5.2019)