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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band

Anerbieten ich aber ablehnen mußte, und hier fühle ich, daß es eine Entsagung und ein Verlust ist. Als er mich vom Tisch wegführte, machte ich ihm den Vorschlag, gegen dergleichen Schmausereien zu predigen. Aber er schüttelte den Kopf und sagte lächelnd: „Nicht gegen Schmausereien, Miß B.!“ Die Herren, auch die besten, haben ganz entschieden eine zu große Freude am essen.

Als ich bei Nacht mit Anna Lynch nach Hause ging, war die Luft ganz lieblich und der Spaziergang in dieser Nachtluft und auf den stillen Straßen (die Trottoirs hier sind breit und eben wie der Golf) war mir höchst angenehm. Der Sternhimmel — Gottes Stadt — stand mit seinen Straßen und Gruppen von leuchtenden Wohnungen in stiller Größe und Schweigsamkeit über uns. Und hier in der stillen sternenhellen Nacht öffnete Anna Lynch ihre Seele vor mir und ich sah einen tiefen, ernsten Grund mit klaren Sternen darauf, wie ich es kaum erwartet hatte bei diesem fröhlichen Wesen, das schmetterlingartig im Gesellschaftsleben wie in seinem rechten Element herumschwebt. Ich hatte sie immer äußerst angenehm gefunden, ich hatte sie darum bewundert, wie sie ohne Vermögen lediglich durch ihr Talent und ihre persönliche Wirksamkeit sich und einer alten ehrwürdigen Mutter eine unabhängige Existenz verschaffen und dabei der Mittelpunkt der ästhetischen und gebildetsten Gesellschaft New-Yorks werden konnte, die jede Woche ihren Salon besucht; ich hatte sie auch um ihren harmlosen Witz, um ihre kindliche Fröhlichkeit und gute Laune bewundert und in ihren Augen hatte ich einen gewissen Ausdruck gefunden, gleich als suchte sie mitten unter ihrem zerstreuten Weltleben etwas „weit, weit weg im Walde;“ mit einem Wort, ich hatte sie lieb gewonnen und ein höheres Interesse geahnt — jetzt ist sie mir wahrhaft theuer. Sie gehört zu den Paradiesvögeln, die über die Erde hinfliegen, ohne ihre Schwingen im Staub derselben zu beschmutzen. Anna Lynch

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 123. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Erster_Band.djvu/127&oldid=- (Version vom 6.7.2019)