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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band

ersten Schicksal, und wie gut es mir gegangen ist und noch geht, wissen. Aber ich bin wieder so hungrig nach Briefen von daheim und gräme mich darüber, daß ich seit meiner Ankunft erst einen einzigen erhalten habe, und daß ich nicht weiß, wie Du Dich von Deiner Krankheit erholst, und wie Mama und Alles zusammen sich befindet. Ich muß jedoch bald darüber Etwas erfahren, und Gott gebe, daß es gut stehen möge! Das letzte Mal schrieb ich Dir von Boston. Ich lebte da einige Tage mit meinen Freunden Springs, in einem unaufhörlichen Douchebad von Zerstreuungen, die mir manchmal angenehm waren, manchmal aber mich halb zur Verzweiflung brachten und kaum zu Athem kommen ließen. An einige Tage und Stunden werde ich immer mit Vergnügen zurückdenken. Darunter steht in vorderster Reihe ein Vormittag, wo ich einige von Massachusetts edelsten Männern um mich erblickte: Alcott, den platonisirenden Idealisten, mit einem ausgezeichnet schönen, blassen, silberhaarigen Kopf, die Gebrüder Clarke, den Philantropen Barnard, den Dichter Longfellow, den jungen ächt amerikanischen Dichter Lowell, einen wahren Apollo von Ansehen u. s. w. W. Emerson kam auch, mit einem lichten Strahl in seinem starken Gesichte, und schönere Leute, vollkommenere Gestalten — beinahe alle hoch und wohlproportionirt — kann man nicht leicht zu sehen bekommen. An einem andern Vormittag sah ich die ausgezeichneten Juristen Wendel Philips und Charles Sumner, einen jungen Riesen von Gestalt, ferner Garrison, einen der ausgezeichnetsten Kämpen in den Reihen der Abolitionisten, der deßhalb auch bei einem Auflauf vom Pöbel in — Boston, glaube ich, mit Ketten um den Hals, wie ein Missethäter in den Straßen herumgeschleppt wurde. In seinem schönen Gesicht und seinen klaren, adlerkräftigen Augen erkannte man den muthigen Sinn, der Märtyrer macht. Ich sagte

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Erster_Band.djvu/150&oldid=- (Version vom 6.7.2019)