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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band

ihm aufrichtig meine Ansicht, daß die Uebertriebenheit im Verfahren der Abolitionisten, ihr Mangel an Billigkeit und der gewaltsame Ton in ihren Angriffen ihrer Sache nicht nützen könne, sondern eher schaden müsse. Er antwortete gutmüthig: „Man muß das ganze Brod verlangen, wenn man hoffen will, das halbe zu gewinnen.“ Er äußerte sich mild über die Sklavenbesitzer im Süden, sagte, er schätze viele von ihnen persönlich, aber die Sklaverei hasse er und werde sie beharrlich als den größten Feind Amerikas bekämpfen. Und ein Mann, der Mißhandlungen durch den Pöbel erlitten, Halseisen und Hohn ertragen hat, aber dennoch wie vorher feststeht, wie vorher fortkämpft, ein Mann von solchem Willen und Charakter verdient alle Achtung.

Diese Herren führten zwei neuerdings entflohene Sklaven, William und Helena Kraft, zu uns. Sie war beinahe weiß, etwas blaßgelb, hatte die Züge des weißen Volksstamms und ein nicht schönes, aber sehr intelligentes Gesicht; er war ein vollkommener Neger, aber von ungewöhnlicher Schönheit. Sie waren auf die Art entkommen, daß sie sich als Mann verkleidet und er ihren Bedienten vorgestellt hatte. Um ihren Namen nicht in die Fremdenbücher schreiben zu müssen (denn sie konnte nicht schreiben), hatte sie den rechten Arm in der Binde getragen und ein Leiden an demselben vorgeschützt. So waren sie glücklich auf die Eisenbahn aus dem Süden und in die nördlichen freien Staaten gekommen. Sie schienen sich ungemein glücklich zu fühlen. Ich fragte die Frau: „Warum entflohen Sie von Ihrem Herrn? War er hart gegen Sie?“ — „Nein,“ antwortete sie, „man hat mich immer gut behandelt. Aber ich floh, weil man mir meine Menschenrechte nicht einräumen wollte. Ich durfte nie Etwas lernen, weder lesen noch schreiben.“ — Man bemerkte bei ihr die Wißbegierde der weißen Race. „Wie ist’s,“ sagte Jemand in der Gesellschaft zu dem Neger, „man behauptet,

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 147. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Erster_Band.djvu/151&oldid=- (Version vom 6.7.2019)