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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band

ausstreckte, sie Schwester nannte und als solche sie der versammelten Menschenmenge vorstellte. Es sah gut und schön aus, und so wurde es auch von Allen empfunden, daß die weiße Frau hier als Beschützerin und Freundin der Schwarzen dastand. Miß Lucy machte es auch recht gut, vollkommen weiblich, still und schön. Sie trat sodann vor, um die Geschichte der früheren Sclavin zu erzählen, und sprach eine gute Weile mit vollkommner Selbstbeherrschung, Klarheit und Würdigkeit in Ton und Geberden über die Sclaverei. Aber statt, wie sie konnte und mußte, das weibliche Bewußtsein des Lebens auszusprechen, statt die Theilname für das Unrecht anzuregen, welches besonders das Weib in der Sclaverei dadurch erleidet, daß ihre Kinder nicht ihr gehören, daß das Wesen, das sie in Schmerzen zur Welt bringt, ein Eigenthum ihres Herrn ist und ihr jeden Augenblick weggenommen und verkauft werden kann, statt auf diese und mehrere andere, das Rechtsgefühl und das Herz gleich empörende Verhältnisse, die besonders das Weib in der Sclaverei treffen, Gewicht zu legen, ging Miß Lucy auf die in den Journalen bereits breit getretene Polemik gegen die Sclavereiverfechter im Norden, sowie gegen Daniel Webster und seinen warmen Eifer für die Freiheit der Ungarn, während er gleichgiltig 3 Millionen von amerikanischer Bevölkerung in einheimischer Sclaverei sehe, ein. Sie wiederholte blos, was Männer bereits gesagt, und zwar besser und kräftiger als sie gesagt hatten, und dadurch verfehlte sie ihren Beruf als Rednerin gänzlich. Wann werden die Weiber einsehen, daß sie, um den Platz auf dem Forum würdig auszufüllen, mit der Würde und der Macht von Wesen auftreten müssen, die wirklich neue und hohe Wahrheiten auszusprechen und zu vertreten haben? Sie müssen aus dem Zentrum der Weibersphäre denken und sprechen. Alles Wohlwollen und alle Höflichkeit der Männer wird in

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 231. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Erster_Band.djvu/235&oldid=- (Version vom 9.9.2019)