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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band

lassen; er sprach für die Sclavin, für die Mutter, deren neugeborne Kinder nicht ihr gehören, sondern dem Sclavenbesitzer und der Sclaverei. Er sprach darüber mit weicher, inniger Stimme und mit zärtlichen Worten, die aber im Stande waren wilden Unmuth über die Verhältnisse und Handlungen hervorzurufen, die er beschrieb. Dies war meisterhaft. Die Versammlung hing an seinen Lippen und griff jedes Wort auf. Einmal redete er, mitten in einer Beweisführung, meinen Begleiter, Mr. Sumner, mit den Worten an: „Ists nicht so, Bruder Sumner?“ Dieser lächelte und nickte Beifall. Gegen das Ende seiner Rede sprang ein wild aufgeregter Herr auf die Estrade und begann neben Philipps zu peroriren. Dieser lachte und bat die Versammlung, nicht auf diesen „unschicklichen Herrn“ zu hören; aber jetzt kam die Versammlung in Gährung, jedoch in aller Munterkeit; man lachte, man pfiff und schrie, man klatschte und zischte unter einander. Inzwischen begann man ganz ruhig die Gallerien zu räumen. Die Redner veranstalteten im Saal eine Kollekte für die Mulattin, worauf wir nebst der übrigen Menge abzogen, und ich mußte die methodische Stille bewundern, womit dies geschah. Niemand wurde gepufft oder gedrängt; jeder ging still und ruhig, wie die Reihe an ihn kam, und so verlief sich die Versammlung wie ein stiller Fluß. Und ich war froh eine Volksmenge gesehen zu haben, wo so viel Selbstgewalt von so viel Ordnung und Gutmüthigkeit beherrscht wurde.

Eines Tags besuchte ich mit Mr. Sumner das Staatshaus, sah den Senat schläfrig über einer Schuhlederfrage sitzen, und hörte im Haus der Repräsentanten viel sehr lebhafte, aber etwas plebejische Beredsamkeit in der Debatte über Pluralität und Majorität bei Abstimmungen (womit ich Dich nicht weiter behelligen will). Die Amerikaner sprechen mit der größten Leichtigkeit

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 234. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Erster_Band.djvu/238&oldid=- (Version vom 9.9.2019)