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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band

seinem blassen, feinen Gesichte, daß ich nicht umhin konnte Gefallen an ihm zu finden und ihm mein Wort zu geben, daß ich, im Falle ich etwas für die Oeffentlichkeit in Amerika schreiben sollte, es seinen Händen überliefern wolle. Aber ich zweifle daran, daß ich hier etwas schreibe. Ich fühle das Bedürfniß zu denken und zu lernen.

Montag, den 8. Oktober. 

Heute leuchtet die Sonne über dem herrlichen Hudson, der unter meinen Fenstern fließt, und ich würde mich mit meinen Gedanken und meinen amerikanischen Büchern glücklich fühlen, wenn nicht der Strom von Besuchen sich wieder in Bewegung setzte, und meine Zeit und meine Aufmerksamkeit in Anspruch nähme. Ich habe Downing bitten müssen, meine Vormittagsstunden zu schützen und mich während derselben nicht aus meinem Käfig zu rufen. Ich werde sonst eine wilde Löwin statt einer zahmen Löwin, als welche man mich haben will, und welche Rolle auch am besten für meine Natur paßt. Mit meinen Wirthsleuten fühle ich mich besonders glücklich und ich lerne viel von Downing, dessen Individualität mich immer mehr interessirt. Es ist etwas Stilles und Melancholisches an ihm, aber er hat einen ungewöhnlichen Beobachtersblick, einen kritischen und etwas sarkastischen Sinn, der jedoch auf einer großen Begriffsfähigkeit beruht. Er ist nicht lebhaft, aber sehr belebbar, er ist schweigsam, aber einer von den Schweigsamen, deren Urtheil man zu hören meint, selbst wenn sie nichts sagen. Er ist in hohem Grad empfänglich und unterscheidet scharf; jedes Gespräch erhält mit ihm leicht ein Interesse. Seine Frau ist eine angenehme, kurzweilige, liebenswürdige Person von feiner Bildung, wie ich glaube, und wie für ihren Mann gewachsen. Heute habe ich auf Mr. Downings Aufforderung an Professor Bergfalk geschrieben, um ihn hieher einzuladen. Bergfalk

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Erster_Band.djvu/38&oldid=- (Version vom 9.3.2019)