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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band

die das Herz wallen und den Gedanken seine Schwingen erheben macht.

Waldo Emerson, mehr Philosoph als Dichter, aber poetisch in seinen prosaischen philosophischen Aufsätzen, ist mir als eine neue eigenthümliche Natur, die ungewöhnlichste von den Dreien, merkwürdig. Er kommt mir wie ein amerikanischer Thorild vor, der aus seiner eigenen mächtigen Natur die Welt umschaffen will, indem er nur in seiner eigenen Brust Gesetz und Eingebung sucht. Stark und rein, besonnen und ruhig, aber zugleich phantastisch, entsendet er von seinem transcendentalen Standpunkt aus seine Aphorismen über Natur und Geschichte, über Gott (der aber für ihn nicht ein persönlicher Gott, sondern eine „Oberseele“, eine Harmonie von Gesetzen ist) und über die Menschen, indem er sie und ihre Wirksamkeit vom Ideal des höchsten Wahren und höchsten Schönen aus kritisirt. „Die Erde hat noch nicht einen Mann gesehen,“ sagt Emerson, und er sieht mit Sehnsucht diesem Manne, diesem Menschen der neuen Welt entgegen, an dessen Erscheinung er glaubt. Was dieser neue Mensch eigentlich sein oder wirken soll, ist etwas Unbestimmtes, nur soll er wahr und schön in des Wortes höchster Bedeutung sein, und überdieß fürchte ich, daß er sehr schön und hochgewachsen sein muß, um vor Emerson Gnade zu finden, der selbst ein Mann von seltener Schönheit sein soll und körperliche Mängel als eine Art Sünde betrachtet. Dieser neue Mensch befolgt keine Gesetze, als die in seiner eigenen Brust; aber da findet er unverfälschte Quellen der Wahrheit und Schönheit. Der neue Mensch glaubt an sich selbst allein, verlangt Alles von sich selbst und thut Alles selbst, ruht auf sich selbst und in sich selbst. Der neue Mann ist ein Stoiker, aber kein so herber, sondern schön und mild. Wohin er kommt, da blüht das Leben; im Kreise der Freunde ist es ein Festtag,

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Erster_Band.djvu/46&oldid=- (Version vom 6.7.2019)