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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band

Schönen im Umgang mit Menschen und mit der Natur, reich auch an Genuß paradiesisch schöner Früchte. Der Neumond zündete sein Licht an und gab dem Sommerschleier über Berg und Fluß einen höheren romantischen Charakter — wundersam schöne Tage und Scenen — und wundersam schön war derjenige, wo ich unter einem warmen Sturm mit meinen Freunden den Hudson hinab nach New-York reiste — der Herbst hatte in seinem Voranschreiten dem Farbenspiel des Laubwaldes Einheit gegeben. Er wechselte jetzt zwischen Kupfer und Gold und glänzte wie eine unendlich reiche goldene Stickerei auf dem indianischen Nebelschleier, der über den Höhen am Hudson entlang ruhte. — Der Wind war so heftig, daß das Schiff zuweilen auf die Seite gedrückt wurde. Und je weiter der Abend voranschritt, um so stiller wurde es unter den Gruppen in dem großen starkbewohnten Salon. Freund zog sich näher zum Freund, Gattin zum Gatten; Mütter drückten ihre Kinder näher an ihre Brust. Meine Augen fielen zufällig auf eine hohe Mannsgestalt von schönem energischen Aussehen; ein kleines Frauenzimmer stand ganz nahe vor ihm, er hielt ihre Hand an seine Brust gedrückt. Mich überkam einige Neugierde ihr Gesicht zu sehen, ich weiß nicht recht warum. Sie wandte ihren Kopf und ich sah unter ihrem Strohhut ein schwarzes Gesicht ohne Spuren von Schönheit. — Ein stummes, leidenschaftliches Leben waltete darin vor, waltete überall vor in der Atmosphäre an diesem stürmischen, warmen Abend. Dieser und einige andere Abende haben sich mit unauslöschlichen Zügen in meine Seele eingeschrieben; Du wirst sie einmal auf dem Papiere lesen, denn was ich tief und stark erlebe, das muß ich, wie Du weißt, früher oder später in Worten und Bildern wiedergeben.

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Erster_Band.djvu/85&oldid=- (Version vom 17.3.2019)