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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band

die ich schon oft bei den Negern bewundert habe. Er verstand es auch, seine Zuhörerschaft in hohem Grad zu elektrisiren, und da in den Methodistenkirchen die Gemeinden immer ihren Gedanken ungezwungen Luft schaffen, so kam es hier durch die lauten Ausrufungen und Gefühlsäußerungen zu einem großen Spektakel. Der Prediger hatte das gewöhnliche Thema gewählt: „Bekehrung und Besserung oder Tod und Verdammniß.“ Aber da er von verschiedenen Fehlern und Sünden sprach, so waren seine Schilderungen ebenso ausdrucksvoll wie seine Geberden. Als er auf die Sünden der Zunge zu reden kam, streckte er die seinige heraus und schüttelte sie sehr nachdrücklich zwischen den Fingern. Bei der Aufforderung, dem Teufel Lebewohl zu sagen und sich von ihm abzuwenden (nachdem er vorher in starken Worten die Verdammniß dargestellt hatte, in welche der Böse die Menschen zieht) wurden seine Ausdrücke so ergreifend und kräftig, daß die ganze Versammlung gleich einem See in Aufruhr gerieth. Man hörte nur noch die Rufe: Ja, ja! Leb wohl für immer! Jesus! Amen! Hebe Dich weg! O Gott! Leb wohl! Amen, Amen! u. s. w. Und dazwischen convulsivische Seufzer, Ausrufungen, Geheule — die Versammlung wäre zu jeder extremen Handlung bereit gewesen, zu welcher der Prediger sie aufgefordert hätte. Der Schwall aufgeregter Gefühle legte sich inzwischen, so bald die Predigt aufhörte. Nach derselben kam eine Handlung edlen Gemeinsinns. Der Prediger verkündete, daß ein Sklave, der Mitglied der Versammlung sei, nach dem Süden verkauft und somit auf lange Zeit von Weib und Kind getrennt werden solle, sofern man nicht in Washington die nöthige Summe auftreibe, die sein Herr verlange. Und die Negerversammlung erbot sich zu einer freiwilligen Beisteuer, um den gebundenen Bruder frei zu kaufen. Eine zinnerne Schale wurde auf einem Stuhle in der Kirche ausgestellt,

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Zweiter_Band.djvu/128&oldid=- (Version vom 4.8.2020)