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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band

und Gold spielen. Sie kommt jedoch nicht weit hinaus, sondern wenn die Aehre durch sie das Licht und das Leben begrüßt hat, zieht sie sich wieder hinein wie die kleinen weißen Flöckchen an den Roggen- und Waizen-Pistillen bei uns. Jetzt waren just die zierlichen Seidenbüschchen heraus, und ich brach einen der so hervorblickenden Maisstengel und nahm sachte die eine grüne Hülle nach der andern ab. Sieben grüne Hüllen hatte ich so hinweggenommen; sie wurden immer heller, immer feiner, je näher sie der Aehre kamen. Behutsam rollte ich die letzte hellgrüne Hülle ab, und ein spiralförmiger Schleier von glänzenden, weißen Silberfäden wogte tief hinab von der reichen, perlreihigen Aehre, so schön, so unendlich reich und rein, daß es entzückend war. Jede Kornperle hatte ihren Silberfaden, und alle waren auf derselben Seite um die Aehre gewunden und vereinigten sich in der Spitze, um zum Licht zu dringen und von seinen Strahlen gefärbt zu werden. Ich betete beinahe an beim Anblick dieser ursprünglich verwirrten, jetzt geoffenbarten Herrlichkeit, und ich mußte an die Worte denken: „Salomo in all seiner Herrlichkeit war nicht gekleidet wie eine von diesen. Es war unendlich schön, und ich wünschte nur, Du hättest es mit mir gesehen. Unter den Blumen muß ich die Tiegerlilie wegen ihrer ungewöhnlichen Pracht ausdrücklich nennen.

Am Abend sah ich über die Blumen hin eine Sphinx flattern, die, einem Kolibri in seiner ganzen Art zu fliegen und Blumen zu saugen vollkommen gleichend, auf Schwingen mit einem schnabelartigen Schwanz emporflog, so daß ich einen Augenblick im Zweifel war, ob sie dem Geschlecht der Vögel oder Schmetterlinge angehört. Ich mußte näher kommen und die vier Füße sehen. Ihren Namen konnte ich nicht erfahren. Jemand behauptete, man nenne sie „ladys-bird,“ zu deutsch Herrgottskäfer. Im Allgemeinen

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 137. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Zweiter_Band.djvu/155&oldid=- (Version vom 4.8.2020)