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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band

suchen; die schönen, aber blassen Weiber, die Feuerfliegen, die in der Nacht leuchten; die Föhrenwälder, wo Azelien wie Engel des Lichts zwischen den dunkeln Bäumen stehen, wo Drosseln und hundertzüngige Vögel singen, und sonst noch viel Eigenthümliches, was die eigenen Naturprodukte dieser Staaten, Baumwolle, Reis u. s. w. und ihr Anbau mit sich bringen; endlich die gemischte Bevölkerung.

Aber ich finde es beinahe vermessen, das gemeinschaftliche Leben und den gemeinschaftlichen Charakter des Staates schildern zu wollen, während ich weiß, daß jeder einzelne Staat in der Union gleichsam ein vollständiges Reich ist, mit beinahe allen Bedingungen und Mitteln eines europäischen Reiches an fruchtbaren Marken, metallreichen Bergen, Wassergängen, Wäldern, sowie überdieß manchen Naturgaben und Schönheiten, die noch unbekannt und unbenützt sind. Ja, es bildet zugleich meine Verzweiflung und mein Entzücken, daß hier überall so unendlich viel Neues und so viel noch Unbekanntes ist, so viel, was ich niemals werde kennen lernen. Aber glücklich dieses Land, das schon in seiner Eintheilung und Regierungsform so große Hilfsmittel besitzt, um sich selbst kennen zu lernen.

Jeder Staat ist wie eine selbständige Persönlichkeit und fühlt sich im Wettkampf mit seinen Schwesterstaaten, mit denen er sich jedoch zuweilen tüchtig herumzankt und pufft, wie Geschwister in den Kinderjahren zu thun pflegen, berufen ein selbständiger Mann zu werden. Und dazu bietet er alle seine Kräfte auf und untersucht alle seine Mittel. Hiezu kommt, daß es in diesem Lande der Freiheit durchaus keine Schranken für Versuche und Experimente gibt. Alles, selbst das Ungewöhnlichste, kann versucht und geprüft werden, ob es etwas taugt. Jeder, selbst der närrischste Versuch kann mit Gewißheit darauf rechnen, einige Anhänger zu finden und die nöthige Zeit zu bekommen, um sich

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 169. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Zweiter_Band.djvu/187&oldid=- (Version vom 23.9.2020)