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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band

Sie setzten sich wieder auf ihre Bänke. Und jetzt trat ein Shäkerbruder, ein Mann von ungefähr vierzig Jahren, mit schmaler Stirn und tiefliegenden, dunkeln, funkelnden Augen auf, dessen ganze Erscheinung einen mit einer fixen Idee behafteten und für dieselbe fanatischen Mann verrieth. Er stellte sich vor die Zuschauer und redete sie ungefähr folgendermaßen an:

„Ihr seht uns hier in einem Hause versammelt, das wir mit unserer eigenen Arbeit aufgebaut haben, um einen Gottesdienst zu üben, der dem Gesetz unseres Gewissens entspricht. Wenn Ihr gekommen seid, um uns zu sehen, und wenn Ihr Achtung haben wollt vor unserer Gesellschaft und vor unserem Gottesdienst, und wenn Ihr Euch dabei ruhig zu verhalten gedenkt, so seid Ihr willkommen. Wo nicht, so seid Ihr hier nicht willkommen. Aber ich will das Erstere hoffen. Und laßt uns jetzt mit einander sprechen und zusehen, was zwischen Euch und uns liegt, das uns trennt. Laßt uns einander verstehen!“ Und dann begann er die Shäkergesellschaft im Gegensatz zu der weltlichen Gesellschaft zu schildern, erstere als diejenige, die der Welt entsagt habe und blos für den Himmel lebe, letztere als diejenige, die nur für den selbstsüchtigen Genuß und irdische Güter lebe. Wir bekamen Jedermänniglich von Elder Evans (so hieß der Shäkerbruder) eine sehr scharfe Strafpredigt für unsere Sünden und Schwachheiten, und er unterbrach sich darin nur durch die Aufforderungen: „Kommt! laßt uns die Sache gemeinschaftlich überlegen! antwortet mir,“ u. s. w. Es wäre unendlich leicht gewesen, dem guten Bruder auf Vieles zu antworten und einen großen Theil seiner Anklagen, namentlich auch seine Selbstanpreisungen zurückzuweisen; und ich wunderte mich, daß keine Stimme sich aus der Versammlung erhob, welcher ein so strenger Text verlesen wurde. Aber sie hielt es zu gut und schwieg. Nach

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Zweiter_Band.djvu/207&oldid=- (Version vom 12.12.2020)