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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band

Zuweilen stand ich auf; ein Blitz von energischem, frischem Leben flammte durch meine Seele, gefolgt von einem Lichtschein der Hoffnung, der einen Augenblick währte und dann verschwand. Und ich sank wieder zu Boden, mich grämend über meinen elenden Zustand. Ich fühlte mich mitunter versucht, meinem und Coveys Leben zugleich ein Ende zu machen, aber ich wurde durch ein Gefühl der Hoffnung und Furcht zugleich abgehalten.“

„Unser Haus stand blos einige Schritte von der Cheasapeak-Bucht, deren breite Brust immer weiß strahlt von Segeln aus allen bewohnten Ländern der Erde. Diese schönen, in schimmernde weiße Kleider gehüllten, für die Blicke freier Menschen so bezaubernden Schiffe schienen mir gleich grabtuchumwickelten Gespenstern, welche kamen, um mich mit Gedanken über meinen elenden Zustand zu schrecken und zu quälen. Oft habe ich in der tiefen Stille eines Sommersonntags allein auf den hohen Ufern dieser prächtigen Bucht gestanden und mit schwerem Herzen und thränenvollen Augen die unzähliche Menge von Segeln beobachtet, die gegen den großen Ocean zu schwebten. Ihr Anblick rührte mich gewaltig. Meine Gedanken suchten sich zu äußern; und da, mit dem Allmächtigen als einzigem Zuhörer, ergoß ich meiner Seele Klagen in meiner rohen ungebildeten Weise, indem ich die segelnden Schiffe anredete: Ihr seid von euern Tauen gelöst und seid frei. Ich bin fest in meinen Fesseln und bin ein Sklave. Ihr bewegt euch freudig vor dem Wind; ich werde ängstlich von der blutigen Peitsche getrieben. Ihr seid die schnell beschwingten Engel der Freiheit und fliegt rund um die Welt; ich bin in Eisenbande geschlagen. O daß ich frei wäre! O daß ich auf einem eurer stattlichen Verdecke und unter euren schützenden Flügeln wäre! Ach, zwischen mir und euch rollen schreckliche Wasser. Geht, geht! O daß ich auch gehen könnte!

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 217. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Zweiter_Band.djvu/235&oldid=- (Version vom 23.9.2020)