Seite:Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band.djvu/239

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band

sie imponirt und entzückt durch ihre klare, hohe Schönheit. Man sitzt an ihrem Knie, und kann doch seine eigenen Gedanken, die Worte Anderer, ja den fallenden Wassertropfen von den grünen Bäumen, die sie mit ihrem Wasser besprengt, hören. Sie ist zu groß, um anders als durch ihre geistige Macht Stillschweigen auferlegen und herrschen zu wollen. Sie ist … ach! sie ist, was Menschen nicht sind und was sie, wenn sie es wären, Göttern gleich machen würde.

Aber die vielen tausend Menschen, die jedes Jahr hieher kommen (man sagt, der Platz werde jährlich von ungefähr 60,000 Personen besucht), müssen sie nicht vom Anblick dieser Größe selbst ein wenig größer und besser werden – wenn sie sich darin spiegeln?! Ich bin froh, daß so viel tausend Menschen jährlich den Niagara sehen können.

Aus den verborgenen Quellen des Sct. Lorenzo und aus den vier großen Binnenseen, Superior, Michigan, Huron und Erie (welche zusammen den vierten Theil des süßen Wassers auf der Weltkugel enthalten sollen) kommen die Wasser, die sich in den Niagarafall ergießen. Der Strom auf dem Wege dahin vom Eriesee kommt nah beim Fall an eine kleine Insel, Irisinsel, auch Ziegeninsel genannt, welche ihn in zwei Arme theilt. Aus dem einen wird der Canadafall gebildet, aus dem andern (demjenigen, der breit und tosend an meinen Fenstern vorbeieilt) der amerikanische Fall. Zwischen den Fällen sind etliche und 20 Fuß buschiger Bergrücken.

Der Fall auf der Canadaseite ist der reichste und schönste. Seine Breite ist 1500, seine Höhe 154 Fuß. Der Fall auf der New-Yorker Seite ist 800 Fuß breit und 167 Fuß hoch. Der Canadafall liegt in einem schönen Halbzirkel, dem Hauptstrom gerade gegenüber. Eine hohe Pyramide von Wasserdünsten steigt aus dem schäumenden Abgrund zu seinen Füßen auf, und erhebt

Empfohlene Zitierweise:
Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 221. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Zweiter_Band.djvu/239&oldid=- (Version vom 12.12.2020)