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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band

Leitstern ist. Von hier reise ich nach Chicago, und von da fahre ich nach den schwedischen und norwegischen Niederlassungen in den Staaten Illinois und Wisconsin.

Unter den Erinnerungen am Niagara sind auch einige traurige Ereignisse. Eines von ihnen trug sich letzten Sommer zu, als ein junger Mann mit seiner Braut und ihrer jungen Schwester den Fall besuchte. Während sie am Ufer desselben standen, nahm der junge Mann das kleine Mädchen aus seinen Arm und drohte scherzend, es hinabzuwerfen. Das Kind machte im Schrecken eine Bewegung, wodurch es auf seinen Armen und in die schäumende Tiefe hinabgeworfen wurde. Er warf sich ihr nach. Beide verschwanden und wurden erst als Leichen wieder gesehen.

Später.  

„Oniaagarah oder Ochniagarah“ sollen die ursprünglichen Namen des Niagara sein, und so wird er noch jetzt von den Indianern genannt. Das Wort soll „Donner des Wassers“ bedeuten. Im Mund der Europäer ist es zu Niagara verkürzt worden. Ich habe jetzt der großen Erscheinung und Scene meinen Abschiedsblick zugeworfen. Die grüne Farbe des Wassers, sein unaussprechlicher, lieblicher, belebender Duft entzückt mich immer von Neuem. Ich freue mich fortzureisen, aber ich wünschte wiederzukehren und den Fall in seiner Winterpracht sehen zu können, wenn er sich mit Blumen, Früchten und tausend phantastischen Zierrathen von Eis krönt; wenn der Vollmond leuchtet und den Mondbogen (the lunar bow) darüber bildet. Will sehen, will sehen! Jedenfalls bin ich unendlich dankbar, daß ich den Niagara sehen durfte. Seine stille Größe und Macht, seine Farbe, sein Duft, der Regenbogen Spiel in der weißen Wolkengestalt — das Alles ist und bleibt ein klares lebendiges Bild in meiner Seele.

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 228. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Zweiter_Band.djvu/246&oldid=- (Version vom 12.12.2020)